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Berlin: Brandbrief an den Vatikan

Pfarrer kritisieren Kardinal Sterzinsky: Rom soll Visitator schicken

In einem ungewöhnlich scharf formulierten Brief haben sich Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter beim Vatikan über die Zustände im Berliner Erzbistum beklagt und die Kurie aufgefordert, einen Apostolischen Visitator zu ernennen. Es sei zu einem „großen Vertrauensverlust bei Priestern, pastoralen Mitarbeitern und vielen Gemeinden ihrem Bischof und seiner Leitung gegenüber gekommen", heißt es in dem dreiseitigen Schreiben an den Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, Kardinal Giovanni Battista Re. Als Folge daraus entstünden Resignation und Entmutigung, Misstrauen und Zorn, manchmal sogar Lästerung. Dieses Gebahren der Kirche bilde „ein großes Ärgernis, ein Skandalon, sowohl den anvertrauten Gläubigen gegenüber als auch nach außen hin für die kritisch auf uns schauende Öffentlichkeit". Aus diesem Grunde sei es „zwingend notwendig, hier Hilfe von Seiten der römischen Mutterkirche zu bekommen". Weiter heißt es in dem Schreiben, welches als Kopie auch an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, ging, im Berliner Bistum sei „die Verantwortung des Bischofs – als Hirt der Kirche, Nachfolger der Apostel und dem Evangelium verpflichtet – kaum mehr spürbar". Stattdessen würden nur noch nach Managermanier von oben herab Entscheidungen getroffen, „ohne die Fürsorgepflicht den Anvertrauten gegenüber, die Mitverantwortung der Gläubigen oder gar den ureigenen Auftrag der Kirche zu berücksichtigen". Besonders schmerzlich sei, wie gewachsene Gemeinden unter großen Zeitdruck und unter formalistischen Gesichtspunkten „fusioniert" würden. In die Kirche von Berlin müsse wieder eine Atmosphäre des Vertrauens einziehen, eines Vertrauens, das dann auch das persönliche Opfer ermögliche und sinnvoll erscheinen lasse.

Ein Apostolischer Visitator wird von Rom gewöhnlich nur dann ernannt, wenn der Papst schwere Missstände in einem Bistum vermutet und sich ein genaues Bild machen will. Ein solcher Schritt gilt als eine offizielle Misstrauenserklärung an die Amtsführung des betroffenen Ortsbischofs.

Bis Freitag tagt der kirchliche Treuhandausschuss in Berlin, der unter der Leitung des Hildesheimer Bischofs Josef Homeyer die Sanierung der Finanzen des Erzbistums überwacht. Für Ende November ist eine zweitägige Klausurtagung aller Priester des Erzbistums mit Kardinal Georg Sterzinsky geplant, auf der eingehend über die schwere Vertrauenskrise zwischen dem Klerus und dem Bischof gesprochen werden soll.

M.G.

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