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Ob die Schulen zu homogenen Klassen zurückkehren dürfen oder weiterhin Erst- und Zweitklässler mischen müssen, erfahren die Eltern erst kurz vor Beginn der Anmeldefrist.

© dpa

Brandbrief: Immer mehr Schulen gegen Jahrgangsmischung

Immer mehr Pädagogen drängen auf die Abschaffung des Jahrgangsübergreifenden Lernens (JüL). Ein Brief an den Tagesspiegel dokumentiert die Bedenken.

Die Gegenwehr gegen das Jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) nimmt zu. Die Zahl der Schulen, die künftig die ersten und zweiten Jahrgänge nicht mehr gemeinsam unterrichten wollen und deshalb entsprechende Anträge gestellt haben, ist inzwischen von 70 auf 78 gestiegen. Das entspricht mehr als 20 Prozent aller staatlichen Grundschulen. Mit Spannung warten die betroffenen Eltern und Lehrer jetzt darauf, ob die Bildungsverwaltung ihre Alternativkonzepte akzeptiert. „Wenn wir nicht ernst genommen werden, werden wir nachfragen“, warnte einer der betroffenen Schulleiter.

Die Schulen haben nur wenig Zeit zu reagieren, falls ihre Anträge abgelehnt werden. Anders als zunächst vorgesehen, sollen sie nicht schon Ende September, sondern erst zum 21. Oktober erfahren, ob sie JüL abschaffen dürfen. Da die Anmeldefrist für die Erstklässler bereits am 24. Oktober beginnt, bleibt den Schulen nur das Wochenende, um die Elternschaft entsprechend zu informieren.

„Man hat den Eindruck, als wollte die Verwaltung verhindern, dass sich herumspricht, welche Schulen ohne JüL in die ersten Klassen starten“, heißt es aus einer der Schulen, die JüL nicht mehr anbieten möchte. Die Bildungsverwaltung begründet die Verzögerung allerdings ganz anders. „Unser Ansinnen ist es, den Schulen zur Konzepterstellung bzw. -überarbeitung ausreichend Zeit zu geben“, betont Sprecherin Beate Stoffers.

Noch ist nicht zu erfahren, wie streng die Behörde mit den Anträgen umgeht. Ob am Ende tatsächlich alle 78 Schulen zu homogenen Klassen zurückkehren dürfen oder weiterhin Erst- und Zweitklässler mischen müssen, lässt sich daher noch nicht abschätzen. Bekannt ist nur, dass die Widerstände in den Schulen weiter wachsen.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Bedenken Eltern und Pädagogen äußern.

Den neuesten Hinweis auf die umfangreichen Bedenken der betroffenen Pädagogen liefert ein Brief, den Schulleiter an den Tagesspiegel geschickt haben. Da sie Nachteile seitens der Schulaufsicht befürchten, wenn sie öffentlich gegen JüL zu Felde ziehen, wollen sie allerdings anonym bleiben. Tatsächlich fällt ihre Kritik sehr harsch aus.

Die Lerngruppen, so ist da zu lesen, könnten „schwerlich eine Identität entwickeln“, weil sie durch das Aufrücken der Zweit- und das Nachrücken der Erstklässler ständig „durcheinandergewirbelt“ würden. Somit dienten sie nur als „Durchlauferhitzer mit eingebauter Brutstation für die Lernschwachen, die man jedoch besser gezielter fördern sollte, als ihnen mehr Zeit zur Selbstentwicklung zu lassen“, heißt es in Anspielung auf die hohe Zahl der Kinder, die die zweite Klasse wiederholen. Die Rektoren beklagen, dass sie „bei vielen Kindern ergonomisch falsche Stifthaltungen und eine immer schlechter werdende Schrift“ beobachten, weil Lehrer das einzelne Kind in den JüL-Gruppen nicht mehr so gut im Auge hätten.

Wie berichtet, hatte Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) mit seinem Qualitätspaket den JüL-Zwang gelockert. Die Schulen durften vor den Sommerferien Alternativkonzepte einreichen. Jetzt sorgen sich die Schulen darum, ob ihre Anträge auch wohlwollend geprüft werden, denn das zuständige Referat ist bekannt dafür, dass es unter Zöllners Vorgänger Klaus Böger (SPD) den JüL-Zwang unterstützt hatte. „Das muss ein sauberes Verfahren sein“, fordert der Leiter der Pankower Grundschule am Teutoburger Wald, Günter Marzineck. Schließlich hätten die Pädagogen das Votum der Schulkonferenz hinter sich.

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