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Brandenburg: Ein Geflecht aus Geschenken und Gefälligkeiten

Eine Serie von Korruptionsfällen beschäftigt die Brandenburger Justiz Ermittler sehen einen Grund in der hohen Aufmerksamkeit der Behörden

Neuruppin - In letzter Minute hat Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) die brisante Personalie abgewendet. Hartmut N. sollte zu Jahresbeginn Landesbeauftragter für das Binnenhochwasser im Oderbruch werden. Dann bekam Woidke Wind von Ermittlungen gegen N. Der 2009 pensionierte Abteilungsleiter im Umweltministerium gilt als Architekt des Systems überdimensionierter Abwasseranlagen in Brandenburg. Seit einem Jahr aber ermittelt die für Korruption zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen N. wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.

Oft sind es kleine Geschenke, Restaurantbesuche oder ein Dienstwagen. Immer mehr Brandenburger Amtsträger stolpern über solche Zuwendungen. N. soll beträchtliche Aufträge des Ministeriums an ein privates Gewässer-Institut in Seddin vergeben haben. Dessen Chef soll dem Ministerialbeamten dafür Geld und einen Hofradlader im Gesamtwert von 10 500 Euro gegeben haben. Die Ermittler stießen darauf in einem anderen Verfahren. Dabei geht es um einen Steg, der durch den geschützten Schilfgürtel am Seddiner See gehen sollte, mit Badeplattform und Bootsanlegern für den noblen Golf- und Country Club, einem der Top-Golfplätze in Deutschland. dort sitzt einige Prominenz im Aufsichtsrat, darunter die Unternehmer Klaus Herlitz und Werner Gegenbauer. Nun steht die Anklage gegen den Club-Vorstand und einen früheren Amtsleiter der Kreises. Der Ex-Beamte soll den Steg ohne Rücksprache mit Naturschutzbehörden genehmigt haben – kurz bevor er in Pension ging. Eine Gefälligkeit, für die er laut Anklage zum Essen und zum Konzert eingeladen wurde, im Wert von 410,32 Euro.

Immer wieder gerät Brandenburg mit ähnlichen Fällen in die Schlagzeilen. Besonders spektakulär war die sogenannte XY-Bande, die bis 2004 Neuruppin mit Glücksspiel und Drogenhandel unsicher machte und mit Politik und Polizei eng vernetzt war. Dort agierte auch ein Stadtwerke-Chef, der den örtlichen Fußballclub über die Maßen unterstützte und sich nach seiner Verurteilung das Leben nahm. Doch sind hiesige Amtsträger nicht korrupter als in anderen Bundesländern. Brandenburg setzte nur früher seine Behörden gezielt gegen Korruption ein. Oberstaatsanwalt Frank Winter sagt, überall wo derlei Strukturen aufgebaut wurden, sei ein Anstieg zu verzeichnen.

Immer wieder geht es um Bauten. So soll der Bürgermeister von Guben, Klaus-Dieter Hübner (FDP), Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen genommen und dafür Gegenleistungen erhalten haben. Sein Büro wurde vergangene Woche durchsucht. Ermittelt wird auch gegen den Landrat von Teltow-Fläming, Peer Giesecke (SPD), Großbeerens Bürgermeister Carl Ahlgrimm und den früheren Bürgermeister von Ludwigsfelde Heinrich Scholl (SPD). Alle sollen von einem lokalen Bauinvestor zu kostspieligen Essen eingeladen worden sein. Giesicke soll sich für den Abriss eines denkmalgeschützten Hauses stark gemacht haben, an dessen Stelle 2010 ein Supermarkt entstand. In Ludwigsfelde geht es um eine 1,8 Millionen Euro teure Stadiontribüne. Nun prüfen die Ermittler weitere Bauprojekte.

Jens-Marcel Ullrich, der im Herbst 2010 den Geschäftsführerposten der örtlichen Arbeiterwohlfahrt (AWO) räumte und Sozialdezernent von Frankfurt (Oder) wurde, nutzte einfach den AWO- Dienstwagen weiter – Verdacht auf Vorteilsnahme. Im Januar stürzte Ex-Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD), weil er einen Luxuswagen kostenlos für eine Testfahrt in den Urlaub nutze. Ein anderes Kaliber ist Eberswaldes Ex-Bürgermeister Reinhard Schulz (parteilos). Im Mai erging ein Bewährungsurteil von elf Monaten wegen Vorteilsnahme und Untreue: Beim Verkauf der Stadtwerke an zwei Konzerne hat er den Preis gemindert, die Stadt erhielt eine Großspende.

Ermittelt wird auch in Potsdam wegen Untreue. Es geht um verdeckte Finanzhilfen der Stadtwerke für den Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03. Im Visier steht Ex-Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Mitverantwortung trägt. Er hat nach der Affäre um Spitzel und dubiose Finanzgeschäfte den Einsatz von Anti-Korruptionsbeauftragten in städtischen Unternehmen angeordnet. Seit Juni arbeitet eine Transparenzkommission den Skandal auf. Die Sorge ist groß, dass weitere Amtsträger im System Paffhausen verwickelt waren.

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