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Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD, dritter von rechts) hier bei einem Besuch mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU, 2.v.r.) im Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit am Grenzübergang in Frankfurt/Oder.

© dpa

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter im Interview: „Keine Spielräume für Flüchtlinge aus Berlin“

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) über Asylbewerber, über Pegida und Vorwürfe gegen die Landespolizei und den Prozess um den so genannten Maskenmann.

Herr Schröter, halten Sie das Demonstrationsverbot, das in Dresden wegen einer Anschlagsdrohung verhängt wurde, für gerechtfertigt?
Ich gehe davon aus, dass die sächsischen Kollegen das sehr genau geprüft und nicht leichtfertig entschieden haben. Gleichwohl bleibt ein Gefühl des Unbehagens. Wenn Grundrechte wegen terroristischer Drohungen nicht mehr wahrgenommen werden können, ist das ein sehr ernst zu nehmender Vorgang. Das muss die absolute Ausnahme bleiben.

In Potsdam wurde gerade die Wohnung eines mutmaßlichen Islamisten durchsucht. Vor Häusern von Medien-Chefs ist Polizei präsent. Wie groß ist die Gefahr im Land?
Es gibt weiter eine abstrakt hohe Gefährdung. Wir haben aber keine Hinweise, dass Ziele oder Objekte konkret gefährdet sind. Wir treffen dennoch besondere Vorsorge bei möglichen Anschlagszielen.

Wie stark ist hier die islamistische Szene?
Wir gehen von einer niedrigen zweistelligen Zahl an Salafisten aus. Besonders haben wir jene im Fokus, die in Syrien waren. Das sind weniger als zehn, also Rückkehrer mit Erfahrung in Ausbildungscamps oder sogar im Kampfeinsatz.

Stoppen Sie jetzt den laufenden Personalabbau beim Verfassungsschutz?
Gegenwärtig wird geprüft, wie viele Polizisten das Land benötigt. Das schließt den Verfassungsschutz ein. Die aktuellen Entwicklungen werden bei der Evaluierung berücksichtigt.

In Brandenburg hat Pegida kaum Resonanz. Sind die Märker toleranter?
Es ist das Ergebnis von 15 Jahren intensiver Arbeit für ein tolerantes Land, gegen Fremdenfeindlichkeit. Das Wesen des Brandenburgers mag etwas anders sein als das des Sachsen. Aber es hat ja auch eine große Durchmischung gegeben, sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg, so dass landsmannschaftliche Zusammenhänge eher zu vernachlässigen sind.

Potsdam statt Oranienburg. Innenminister Karl-Heinz Schröter, 60, war 20 Jahre Landrat in Oberhavel.
Potsdam statt Oranienburg. Innenminister Karl-Heinz Schröter, 60, war 20 Jahre Landrat in Oberhavel.

© Manfred Thomas

Sie waren in den letzten Wochen bei Bürgerversammlungen zu geplanten neuen Flüchtlingsheimen. Kippt die Stimmung?
Ich befürchte das nicht. Die Versammlungen sind im Wesentlichen gleich abgelaufen: Es gab zunächst eine sehr erregte Debatte. Die Hitzigkeit nahm mehr und mehr ab, je mehr Fragen beantwortet, je mehr Sorgen zerstreut werden konnten. Allerdings gab es vereinzelt auch organisierte Störer aus der rechtsextremen Szene. Die erreicht man nicht.

Brandenburg muss sich darauf einstellen, auch 2015 viele Flüchtlinge aufzunehmen. Wie ist das Land gerüstet?
Die Prognosen sind noch unsicher, wir gehen derzeit von 8100 Neuankömmlingen aus. Das wären durchschnittlich 675 Menschen im Monat. Zwar haben wir jetzt in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt einen Aufnahmestopp wegen Masern-Fällen verhängen müssen. Es ist aber möglich, dass wir trotzdem schon im Januar diese Zahl erreichen. Mein Bestreben besteht darin, die Kapazitäten für die Erstaufnahme schnell zu erweitern.

Was heißt das konkret?
Wir bereiten neue Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtung vor. In Ferch haben wir mit 50 Plätzen begonnen. Wir wollen ab Herbst in Doberlug-Kirchhain die frühere Lausitz-Kaserne nutzen. Ende 2015 wollen wir für die Erstaufnahme von Asylbewerbern eine Kapazität von 3000 Plätzen haben. Wenn nötig, müssten 2016 noch einmal Plätze geschaffen werden. Das ist eine riesige Herausforderung.

Ist es für Sie vorstellbar, zusätzlich Berliner Flüchtlinge in Brandenburg unterzubringen, wie es nach der letzten Senatsklausur vorgeschlagen wurde?
Um Menschen unterzubringen, braucht man keine Fläche, sondern Wohnungen oder Gemeinschaftsunterkünfte. Und die müssen wir in Brandenburg genauso errichten, wie das in Berlin nötig ist. Es ist schon eine große Herausforderung, unser Brandenburger Kontingent zu schultern. Darüber hinaus sehe ich derzeit keinerlei Spielräume, um dazu noch Berliner Flüchtlinge aufzunehmen.

Thüringen und Schleswig-Holstein haben einen Abschiebestopp für die Winterzeit verhängt. Zieht Brandenburg nach?
Das deutsche Asylrecht schützt vor politischer Verfolgung. Es schützt nicht vor Obdachlosigkeit oder schlechter Witterung. Ein Winter-Abschiebestopp würde das Ergebnis des Asylkompromisses aushebeln, mit dem die Zahl der sicheren Herkunftsländer im Gegenzug für Erleichterungen im Asylbewerberleistungsgesetz erweitert worden ist. Es würde alles auf den Kopf stellen, wenn man in sichere Herkunftsländer nicht abschiebt, weil sie etwa in Südosteuropa liegen und dort gerade Winter ist. Dann könnte man auch nicht mehr vom Bund verlangen, die Asylverfahren zu beschleunigen.

Sie sahen Rot-Rot skeptisch. Haben Sie Ihren Frieden mit den Linken gemacht?
Fragen Sie lieber die Linken, ob sie schon ihren Frieden mit mir gemacht haben.

Fast jede Woche werden neue Vorwürfe im sogenannten Maskenmann-Verfahren, zu geschönter Kriminalitätsstatistik gegen Innenstaatssekretär Arne Feuring laut. Wie lange sehen Sie sich das noch an?
So lange, wie ich muss. Aber, es ist die vollendete Vergangenheit. An der kann ich nichts ändern. Mit dem öffentlichen Schlagabtausch muss ich leben, bis es spannendere Themen gibt.

Wie gehen Sie mit den Vorwürfen gegen Feuring bei den Ermittlungen um?
Ich äußere mich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren.

Und die geschönte Polizeistatistik?
Ich teile die Unterstellung in Ihrer Frage nicht. Ich werde für 2014 eine Polizeistatistik vorlegen, bei der man sich über den Weg, über die Methodik, nicht mehr streiten kann. Ich will vermeiden, dass man sich über die Form der Erarbeitung zankt. Wir praktizieren den Weg, der nicht konfliktträchtig ist, Punkt, aus die Maus. Über das Ergebnis kann man sich dann fetzen. Die Statistik wird ja auch Grundlage für nötige Umsteuerungen sein.

Hat Herr Feuring noch Ihr Vertrauen?
Selbstverständlich.

Warum haben Sie sich jetzt dafür ausgesprochen, den Personalabbau bei der Polizei zu stoppen, sie nicht auf unter 8100 Stellen zu verkleinern?
Wir haben in der Polizei einen hohen Krankenstand, sehr viele Langzeiterkrankte. Das kann man nur kompensieren, wenn man auf den Stellenplan etwas drauflegt, weil ansonsten auch die Gesunden noch stärker belastet werden. Diese Spirale will ich durchbrechen.

Sie waren über zwei Jahrzehnte Landrat. Wie geht es Ihnen im neuen Job?
Sie hören es ja, ich bin erkältet. Möglicherweise liegt das daran, dass ich weniger Sport treiben kann.

Als Landrat sind Sie täglich zehn Kilometer zum Dienst gejoggt. Wann sind Sie als Minister das letzte Mal gelaufen?
Vor zehn Tagen, für mich ist das extrem lange her. Ich brauche das Laufen als Ausgleich. Ich arbeite daran, mir dafür Freiräume zu schaffen.

Fremdeln Sie noch mit dem Politikbetrieb?
Ich war ja früher schon ein kleiner Politiker. Aber Kommunalpolitik ist doch etwas anderes. Man sieht die Ergebnisse gegenständlich. Kommunalpolitik hat mehr mit Handwerk als mit Mundwerk zu tun.

Haben Sie schon gelernt, sich auf die Zunge zu beißen?
Ich ecke gelegentlich an, weil ich das nicht tue. Mit 60, befürchte ich, verändert man sich nicht mehr grundsätzlich.

Was hat Sie bisher am meisten frustriert?
So schlimm ist es nicht. Was anders ist als in meiner Zeit als Landrat: Ich habe nicht mehr den persönlichen Werkzeugkoffer, um gleich alle Probleme selbst zu lösen. Als Landrat hatte ich die Verwaltung, die Kreisgesellschaften. Heute ist es manchmal schon ein Problem, die Heizkörper in meinem Büro entlüften zu lassen...

...Sie sind eben kein Fürst mehr!
…(lacht) Da haben Sie recht! Früher war ich ein kleiner Herr, heute bin ich ein großer Knecht.

Das Interview führten Thorsten Metzner und Alexander Fröhlich

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