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Brandstiftung in Wedding: 60-Jähriger Täter weiter flüchtig

Wenige Tage nach dem Brand in einem Weddinger Wohnhaus fehlt den Nachbarn jedes Verständnis für den flüchtigen Brandstifter. Der flüchtige 60-Jährige soll ein Jahr keine Miete gezahlt haben.

Der Qualm ist in jede Ritze des Gemäuers gekrochen. Bereits am Eingang des Wohnhauses in der Weddinger Seestraße sticht einem der beißende Geruch in die Nase. Im Vorderhaus ist das Treppengeländer verkohlt, ebenso die Altbautüren zu den Wohnungen, zur Zahnarztpraxis und zur Filmproduktionsfirma. Auch die Wände sind verrußt. Notdürftig installierte Neonlampen weisen Besuchern den Weg die Treppe hoch. Auch an drei von vier Aufgängen im Hinterhof zeugt verkohlter Putz davon, was der mutmaßliche Brandstifter Horst Richard Prokopowicz am Mittwoch voriger Woche angerichtet hat. Der 60-Jährige, der bewaffnet ist, befindet sich weiterhin auf der Flucht.

„Wir haben Glück gehabt, dass durch die Brände im Hinterhaus die Scheiben zerborsten sind. Durch den Krach sind wir überhaupt erst aufgewacht und sahen, was los war“, erzählt ein Nachbar. Es sei fast ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist – außer, dass ein Mieter eine Rauchgasvergiftung erlitt. Dass es sich um eine Verzweiflungstat handelte, wie Prokopowicz in einem Brief an einen Journalisten beschrieb, kann der Nachbar nicht nachvollziehen. In dem Schreiben behauptete der 60-Jährige, dass angeblich seine Heizkosten stark angestiegen waren. Weil er sich dies nicht erklären konnte, vermutete er Betrug seitens der Hausverwaltung. Auch andere Mieter sollen betroffen sein. „Bei uns bewegt sich die Abrechnung im ganz normalen Bereich“, widerspricht der Nachbar. Auch ein anderer Mieter aus dem Hinterhaus berichtet, er habe keine außergewöhnlich hohen Heizkostennachzahlungen leisten müssen. Gekannt hätten sie Prokopowicz kaum, sagen sie. Er sei ein „eher verschlossener Typ“ gewesen.

Am vorigen Mittwoch stand ein Zwangsräumungstermin für Prokopowiczs Wohnung an. Vielleicht war es Wut, vielleicht Verzweiflung, die ihn dann offenbar dazu trieben, in den frühen Morgenstunden die Brände an den Aufgängen im Hinterhof sowie im Vorderhaus zu legen. Die Tat eines psychisch labilen Mannes, dazu noch krebskrank, der andere in Todesgefahr gebracht hat – davon geht die Polizei aus. Auf seiner Flucht erschoss Prokopowicz seinen Hund. Woher er die scharfe Pistole hat, ist noch unklar. Die Ermittler halten es für möglich, dass auch der Tatverdächtige sich mittlerweile umgebracht hat. Doch genauso vorstellbar sei, dass er weiter auf der Flucht ist und andere bedrohen könnte. Deshalb warnt die Polizei: Wer ihn sieht, sollte ihn nicht ansprechen, sondern den Notruf wählen.

Die Hausverwaltung wollte sich am Montag zu den Vorwürfen, die Prokopowicz in dem Brief erhebt, nicht äußern. Doch ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, sagte: „Der Mann war seit mehr als einem Jahr mit seinen Monatsmieten im Rückstand. Hier ging es nicht um Heizkosten, sondern um hohe Mietschulden.“ Nicht umsonst habe ein Gericht die Räumung angeordnet. „Das macht doch kein Richter einfach so.“

Eine Angestellte schließt die rußgeschwärzte Tür zur Filmproduktionsfirma auf. „Unangenehm ist das. Wir wurden alle in Mitleidenschaft gezogen“, sagt sie. Doch trotz des Brandschadens müsse es irgendwie weitergehen. „Man kämpft sich durch. Muss ja.“ Aus der Zahnarztpraxis kommt eine Patientin. „Zwei Tage hat es gedauert, bis der Arzt wieder arbeiten konnte – und das alles wegen eines Brandstifters mit Dachschaden“, sagt sie.

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