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Gegenbewegung. Auch die Grünen formierten sich gestern in Hellersdorf auf dem Alice-Salomon-Platz zur Demo, unter ihnen Renate Künast und Özcan Mutlu. Foto: dpa

© dpa

Berlin: Breite Front gegen die NPD

700 Demonstranten protestierten gestern in Hellersdorf für die Flüchtlinge.

Der Alice-Salomon-Platz ist so etwas wie das Herz von Hellersdorf, befindet sich doch dort das wichtigste Einkaufszentrum im Kiez. Seit vor einer Woche nur wenige hundert Meter entfernt ein neues Asylbewerberheim eröffnet wurde, dominieren hier aber zahlreiche Polizeiautos, denn täglich treffen Ausländerfeinde und Ausländerfreunde aufeinander. So auch am Samstagnachmittag, an dem die Berliner NPD zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage zu einer Kundgebung aufgerufen hatte. Wieder war zeitgleich eine Demo von einem breiten Bündnis gegen die „rechte Hetze“ angemeldet worden.

Seit Tagen wird gegen das neu eröffnete Flüchtlingsheim in der Carola-Neher-Straße protestiert, neben einer örtlichen Bürgerinitiative sind auch Pro Deutschland und die NPD aktiv, das Heim steht unter Polizeischutz.

Am gestrigen Sonnabend war die Polizei erneut mit mehreren Hundertschaften im Einsatz, um Rechte und Linke zu trennen, sie hatte zu diesem Zweck auch Gitter auf dem Alice-Salomon-Platz aufgestellt. Hier trafen die ersten Demonstranten schon ein bis zwei Stunden vor Beginn der Gegenkundgebung um 15 Uhr ein, zu der die Linkspartei aufgerufen hatten. Mehrere hundert Menschen versammelten sich friedlich bei schönem Wetter, auch viele Plakate und Fahnen von Grünen und SPD waren zu sehen.

Erst gegen 16.30 Uhr trafen etwa 70 bis 80 NPD-Mitglieder auf dem Platz ein. Erwartet worden waren nur etwa 15. Die Neonazis traten sehr aggressiv auf, brüllten Parolen gegen Kinderschänder und Ausländer. Unterstützt wurden sie von etwa zwei Dutzend 12- bis 16-Jähriger, die sich selbst als ausländerfeindliche Anwohner bezeichneten.

Die Zahl der für die Flüchtlinge Partei ergreifenden Gegendemonstranten war zu diesem Zeitpunkt bereits auf mehr als 700 angewachsen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe hatten die etwas 400 Polizisten auch aufgrund der beidseitig auf der Hellersdorfer Straße aufgestellten Absperrgitter die Lage unter Kontrolle.

Die Stimmung bei den Beamten ist nicht mehr die beste, am Freitag hatte die Gewerkschaft der Polizei gegen die „wachsende Zahl der Wochenendeinsätze“ protestiert, diese würden „die Einsatzkräfte in die Knie zwingen“. Zudem empört die eingesetzten Beamten, dass ein linker Protestierer bei der ersten NPD-Demo am Dienstag einen Polizeibeamten mit einer Flasche angegriffen und schwer verletzt hatte. Der Täter hatte den Polizisten als „Scheiß-Zivi“ beschimpft und ihm eine Flasche gegen den Kopf geschlagen. Laut Polizei droht dem Beamten die Erblindung auf einem Auge.

Zur Demonstration gegen Rechts kam auch die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen für die Bundestagswahl, Renate Künast. „Es ist selbstverständlich, dass wir Schutz bieten, wenn Flüchtlinge zu uns kommen. Alle Demokraten sind aufgefordert Gesicht zu zeigen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, teilte Künast bereits am Vormittag in einer Erklärung mit.

Am heutigen Sonntag mobilisiert die linke Szene erneut gegen eine angeblich rechte Demo. Um 14 Uhr soll am Alexanderplatz der „Berliner Marsch gegen Chemtrails und Geoengineering“ starten. Dahinter  versteckt sich eine weltweite Verschwörungstheorie, wonach über die Kondensstreifen von Flugzeugen Giftstoffe verteilt werden, um die „Weltbevölkerung radikal zu reduzieren“.

Angeblich gibt es enge Verbindungen zwischen diesen Verschwörungstheoretikern und den rechtsextremistischen Reichsbürgern. Angemeldet bei der Polizei wurden 800 erwartete Teilnehmer. Jörn Hasselmann

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