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Polizisten und Rettungskräfte am Tatort am Breitscheidplatz.

© REUTERS/Pawel Kopczynski

Breitscheidplatz in Berlin: Wer jetzt Hass schürt, macht sich zum Komplizen der Terroristen

Berlin steht unter Schock. Wer jetzt voreilige Schlüsse zieht und Hass schürt, verrät jedoch die Grundwerte der Demokratie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Berlin steht unter Schock. Zwölf Menschen sind tot. Knapp 50 haben Verletzungen erlitten, hoffentlich stirbt kein weiteres Opfer. Was gestern Abend auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche geschah, ist ein Realität gewordener Alptraum. Ein schwerer Lkw rast in eine Menschenmenge, die sich an den Holzhäuschen bei Glühwein und gebrannten Mandeln der Vorfreude auf die Feiertage hingibt. Größer könnte der Schrecken kaum sein. Auch wenn noch nicht völlig klar ist, ob es ein Anschlag war. Weihnachten wird dieses Jahr in Deutschland überschattet wie noch nie seit der Gründung der Bundesrepublik.

Die blutige Amokfahrt erinnert an den Anschlag in Nizza, bei dem im Juli mehr als 80 Menschen starben. Damals fuhr ein fanatischer Anhänger der Terrormiliz IS mit einem Truck gezielt in die auf der Promenade des Anglais flanierenden Einheimischen und Touristen. Doch auch wenn sich die grässlichen Bilder aus Nizza und Berlin gleichen, sollten Behörden, Politik und Medien gleichermaßen das Massaker auf dem Weihnachtsmarkt erst dann als Terrorismus bezeichnen, wenn die Erkenntnisse über Tat und Täter eindeutig sind. Das ist bislang noch nicht der Fall. Dass Medien, die ihre Zweifel nicht verstecken, in den sozialen Netzwerken angepöbelt werden und rassistisch gefärbter Hass hochkocht, verstärkt noch die beklemmende Wirkung der Bilder vom Weihnachtsmarkt.

Natürlich muss gesagt werden, dass der festgenommene Tatverdächtige ein Mann afghanischer oder pakistanischer Herkunft ist. Es ist auch nicht auszuschließen, dass er als Flüchtling nach Deutschland kam. Und dass er womöglich eine schaurige neue Methode des Dschihad gegen den Westen präsentiert hat: ein Truck wird entführt und der Fahrer getötet, um ein weiches Ziel anzugreifen. All das ist denkbar, wohl auch wahrscheinlich. Aber es ist keine Rechtfertigung für Hass auf Flüchtlinge, auf Migranten, auf Muslime. So wenig wie der Mord des Flüchtlings an der Medizinstudentin in Freiburg. Wer jetzt Hass schürt und Rassismus, verrät nicht nur die Grundwerte der Demokratie. Er macht sich auch zum Komplizen der islamistischen Terroristen.

Berlin braucht den Geist der besonnenen Demokratie

Sie wollen ja, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bei den verteufelten „Ungläubigen“ im Westen zerbricht. Sie wollen ja, dass Muslime attackiert werden und Brandflaschen auf Moscheen fliegen. Der „Islamische Staat“ und Al Qaida hoffen inständig, maßlose Wut im Westen werde Muslime so empören und ängstigen, dass sie sich dem Dschihad zuwenden. Rassisten und Dschihadisten gehen Hand in Hand. Klammheimlich freuen sich beide über jedes Verbrechen, dass ihnen neue, wutblinde Anhänger zutreibt.

Berlin und die Bundesrepublik erleben dunkle Stunden. Am Ende eines Jahres, das dem Land schon viel zugemutet hat: die Anschläge in Würzburg und Ansbach, die vielen rassistischen Angriffe auf Flüchtlingsheime, der Amoklauf in München. Gerade der Amoklauf in München ist aber auch eine Mahnung, keine vorschnellen Urteile zu fällen. Stundenlang gingen Polizei und Politik davon aus, Terroristen schössen um sich. Am Tag danach wurde klar, dass der Täter kein Dschihadist war. Und München staunte über sich selbst, über die spontane Solidarität vieler Menschen, die sich in der Schreckensnacht gegenseitig geholfen hatten und selbst Fremden eine Übernachtung anboten. Das ist der Geist der souveränen, besonnenen Demokratie.

Das ist es, was Berlin jetzt braucht. Und wie damals München nun auch die Kraft, den Schmerz auszuhalten und die Trauer um die Opfer. Weihnachten ist, so kitschig es auch klingt, das Fest der Liebe. Nicht der geballten Faust.

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