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Berlin: Brenzlige Geschäfte

Berlin und Potsdam wollen die Feuersozietät verkaufen, doch niemand will sie. Alte Verträge sind verschwunden, das Risiko ist unkalkulierbar

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Feuersozietät liebt das Risiko. Das finanziell angeschlagene öffentliche Unternehmen betreut Kunden in Israel, hat die europäische Weltraumrakete „Ariane“ mitversichert und engagiert sich im gefahrvollen, internationalen Rückversicherungsgeschäft für Flugzeuge. Schlimmer noch – die Feuersozietät hat keinen Überblick über die abgeschlossenen Policen. Zwei bis drei große Kartons mit Verträgen werden vermisst. Unternehmensintern wurde zunächst kolportiert, die Papiere lägen in einem Stollen im Harz. Aber das war nur ein wildes Gerücht.

Nach Informationen des Tagesspiegel werden in dem Versicherungskonzern, der je zur Hälfte den Ländern Berlin und Brandenburg gehört, erst seit 1997 neue Rückversicherungsverträge mit einer professionellen Computersoftware erfasst. Bis dahin behalf man sich mit simplen Kalkulationstabellen und vor den achtziger Jahren wurden Karteikarten geschrieben. Die sind dem Vernehmen nach kaum zu entziffern. Und wie gesagt: Es fehlen viele Verträge mit unbekanntem Schadenswert. Erschwerend kommt hinzu, dass im Laufe der Jahre viele Versicherungsnummern geändert wurden. Es bräuchte ein halbes Jahr, schätzt ein Experte, um den Vertragsbestand zu durchforsten. Aber dafür ist keine Zeit. Die Feuersozietät und das Partnerunternehmen Öffentliche Lebensversicherungen sollen kurzfristig verkauft werden.

Eigentlich sollte die Privatisierung der öffentlichen Versicherung vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Aber der Senat und die Landesregierung in Brandenburg sind in der wenig komfortablen Situation, nur noch mit einem Kaufinteressenten verhandeln zu können. Die „Provinzial Rheinland“ zog ihr Angebot jetzt offiziell zurück. Übrig blieb die „Versicherungskammer Bayern“; der bundesweit größte Erstversicherer. Die Führungsetage der Feuersozietät würde sich über einen Verkauf an die Bayern freuen. „Man kennt sich“, verlautet aus Unternehmenskreisen. Die Finanzministerien in Berlin und Brandenburg, die für das schwierige Privatisierungsverfahren politisch veranwortlich sind, hätten die „Provinzial Rheinland“ vorgezogen, die offenbar bessere Konditionen bot.

Interne Gerüchte, dass es bei der Aufbereitung der Unternehmensdaten für die Bieter nicht mit rechten Dingen zuging, haben sich nicht bestätigt. Aber das Chaos bei den Rückversicherungen ist Problem genug. Deshalb wurde das Londoner Beratungsunternehmen Chilington hinzugezogen – ein Spezialist für die „Risikoübernahme von Schadenportefeuilles“. In diesem Fall geht es um verschollene Versicherungsrisiken, die 30 Jahre nachwirken können. Die Bankgesellschaft Berlin lässt grüßen. Der potenzielle Käufer „Versicherungskammer Bayern“ schlägt dem Vernehmen nach vor, für das unverkäufliche Rückversicherungsgeschäft der Feuersozietät eine Abwicklungsgesellschaft (“Run off“) zu gründen.

Zum Stand der Verhandlungen äußern sich die öffentlichen Eigentümer nicht. Man stehe in der entscheidenden Phase, verlautet aus der Berliner Wirtschaftsverwaltung. Die Brandenburger Sparkassen, die der Feuersozietät auf dem flachen Land ihr Vertriebsnetz zur Verfügung stellen, hoffen auf einen kompetenten Käufer. Denn so wie bisher – und das sagen auch Mitarbeiter der Feuersozietät hinter vorgehaltener Hand, gehe es nicht weiter. „Das ist ein richtiger Zockerverein“, schimpft ein Insider.

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