zum Hauptinhalt
Von Dassel wird vorgeworfen, einem Bewerber für den hohen Posten der zentralen Steuerung im Bezirksamt privat Geld angeboten zu haben, damit dieser seiner Klage gegen die Entscheidung zugunsten eines Vertrauten des Bezirksbürgermeisters zurückzieht.

© picture alliance/dpa

Update

Brief an Grünen-Mitglieder in Berlin-Mitte: Bezirksbürgermeister von Dassel rechnet mit Abwahl – und bliebe üppig versorgt

Er habe „dem Ansehen unserer Partei geschadet“, schreibt von Dassel. In der Bezirksverordnetenversammlung gibt es eine breite Ablehnung für den Bürgermeister.

Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) glaubt nach der SMS-Affäre um die Postenvergabe für einen Vertrauten nicht mehr an seine politische Zukunft im Amt.

Ihm sei „bewusst, dass meine Abwahl nicht mehr zu verhindern ist“, schrieb von Dassel jetzt in einem internen Brief an Parteimitglieder der Grünen in Berlin-Mitte. Er habe „dem Ansehen unserer Partei geschadet“.

Einen Rücktritt lehnt von Dassel jedoch ab, denn diese wäre „nur eine Bestätigung der öffentlichen Vorwürfe gewesen, die so nicht wahr sind“. So lange in dem von ihm bei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beantragte Disziplinarverfahren gegen ihn kein Ergebnis vorliege, „kann ich die von vielen von Ihnen geforderten politischen Konsequenzen für mich nicht ziehen“.

Dass es aber auch um finanzielle Fragen geht, erwähnt von Dassel in seinem Schreiben nicht. Träte er zurück, verlöre er alle Ansprüche aus seiner Zeit im Bezirksamt, dem er erst als Stadtrat seit 2009 und seit 2016 als Bezirksbürgermeister angehörte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wenn die Bezirksverordnetenversammlung ihn aber abwählt, wie es nicht nur die Zählgemeinschaft von Grünen und SPD planen, sondern auch CDU, FDP und Linke, dann bleibt von Dassel gut versorgt. Das geht aus einer Antwort der Senatsfinanzverwaltung an den Tagesspiegel hervor.

7171 Euro im Monat für vier Jahre

Bis zum Ende seiner Amtszeit, für die er bis Herbst 2026 gewählt wurde, hat der 55-Jährige Anspruch auf 71,75 Prozent seiner bisherigen Bezüge. Da er als Bezirksbürgermeister nach Besoldungsstufe B6 mit aktuell 9994,91 Euro bezahlt wird, bekäme er für vier Jahre 7171 Euro im Monat – insgesamt also knapp 344.000 Euro. Nach 2026 bekäme von Dassel ein Ruhegehalt – weil er dem Bezirksamt mehr als acht Jahre angehörte.

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) befasste sich erstmals am Donnerstagabend mit der Abwahl. Sie leitete ein Abwahlverfahren gegen von Dassel ein.

Bei der ersten Lesung eines entsprechenden Antrags zeichnete sich eine breite Mehrheit für seine Abberufung ab. Aus allen Fraktionen außer der AfD hieß es, man habe das Vertrauen in den Bürgermeister verloren. Die endgültige Entscheidung soll nach der zweiten Lesung am 8. September fallen - sofern der Grünen-Politiker nicht von sich aus zurücktritt. In der Sitzung lehnte er das erneut ab.

Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers bezeichnete die Abwahl als „goldenen Handschlag in Form hoher Versorgungsansprüche“ für von Dassel. „Das wäre ein Skandal“, sagte Evers. Von Dassel müsse seiner Abwahl zuvorkommen und endlich zurücktreten. „Die grüne Amigo-Affäre hat bereits einen viel zu großen Schaden für das Ansehen unserer Stadt angerichtet“, sagte Evers. „Man hätte längst die Reißleine ziehen müssen.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Von Dassel wird vorgeworfen, dass er einem Bewerber für den hohen Posten der zentralen Steuerung im Bezirksamt privat Geld angeboten zu haben, damit dieser seiner Klage gegen die Entscheidung zugunsten eines Vertrauten des Bezirksbürgermeisters zurückzieht.

Sowohl die Grüne-Fraktion der Bezirksverordneten als auch die Landesspitze der Partei stellten sich deshalb gegen von Dassel. „Wir haben als Fraktion das Vertrauen in Stephan verloren“, erklärte die Fraktion. Die Entscheidung, einem Bewerber um eine Stelle privat Geld anzubieten, um das Verfahren schneller abzuschließen, sei nicht tragbar. Von Dassel hingegen hält die Vorwürfe für überzogen, gesteht aber Fehler ein: „Es tut mir unendlich leid, in welche Bredouille ich uns Grüne in Mitte, aber natürlich auch uns Grüne in ganz Berlin mit einer unbedachten Formulierung in einer SMS gebracht habe.“

Besagte SMS ging an den klagenden Mitbewerber um die Stelle, auf die von Dassel seinen Vertrauten aus dem Parteivorstand der Grünen in Mitte setzen wollte. Darin ging es um ein Angebot, damit der Bewerber seine Klage zurückzieht. Später startete das Bezirksamt das Auswahlverfahren neu, um vor dem Verwaltungsgericht nicht zu scheitern.

„In höchstem Maße missverständlich“

Von Dassel bestreitet weiterhin, dem Kläger per SMS ein konkretes Angebot einer Geldzahlung gemacht zu haben. „Ein konkretes Angebot einer Geldzahlung ist in dieser SMS aber an keiner Stelle erfolgt“, erklärt er nun erneut. Dennoch gesteht er: „Auch wenn ich dem unterlegenen Bewerber kein konkretes Angebot gemacht, geschweige denn eine Absprache getroffen oder gar Geld gezahlt habe, war meine Nachricht in höchstem Maße missverständlich und hätte niemals von einem Bezirksbürgermeister kommuniziert werden dürfen.“

Diese SMS haben „nicht nur das Vertrauen in mich als Person und Bezirksbürgermeister und in die Neutralität der Verwaltung gefährdet, sondern auch dem Ansehen unserer Partei geschadet.“ Das bedaure er zutiefst. Von Dassel nennt es „meine Dummheit“, sagt aber auch: „Ich kann wirklich mit reinem Gewissen sagen, dass ich nur das Beste für den Bezirk und das Land Berlin wollte und will.“

Der Kläger selbst erklärte strafrechtlich überprüfbar, dass sich bei seinem vorherigen Telefonat mit von Dassel über eine Zahlung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vergleiches „beide Seiten einig“ waren, „dass es um drei Monatsgehälter in der Besoldungsstufe A15 ging“. Das sei – nachdem das Bezirksamt eine außergerichtliche Einigung aus haushaltsrechtlichen Gründen für nicht möglich erklärte – die Grundlage für die weiteren Gespräche um eine privatrechtliche Einigung gewesen.

Von Dassel habe in der SMS sogar auf die zuvor „skizzierten Rahmenbedingungen“ Bezug genommen. Für eine Besoldung nach A15 gibt es pro Monate je nach Dienstjahren zwischen 5414 und 6821 Euro.

Bezirk stoppt neu gestartetes Auswahlverfahren

Politisch macht von Dassel die CDU und seine Fraktion mitverantwortlich: „Die CDU hatte das Auswahlergebnis aus parteitaktischem Kalkül seit Dezember durch Dringlichkeitsanfragen und Pressemitteilungen versucht zu skandalisieren“, heißt es in dem Schreiben an die Partei. Leider habe die Mehrheit der Grünen–Fraktion „Anfragen der CDU die Dringlichkeit gegeben“ und deren Anträgen zugestimmt.

Die Stelle des Steuerdienstes kann indes vorerst nicht besetzt werden. Der Bezirk stoppte nun auch das neu gestartete Auswahlverfahren. Wegen der aktuellen Presseberichterstattung erscheine eine Bestenauslese nicht mehr möglich, schreibt das Bezirksamt in einem Brief an die Bewerber. „Vielmehr ist davon auszugehen, dass die zu treffende Auswahlentscheidung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird.“ Es sei damit zu rechnen, dass ein „Gericht das gesamte Auswahlverfahren durch die Darstellung in den Medien in Frage stellen und die Entscheidung aufgrund einer Besorgnis der Befangenheit aufheben wird“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false