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Berlin: Brutale Rache

Cengiz U. ist angeklagt, weil er seine getrennt lebende Frau tötete – vordenAugendes gemeinsamen Kindes

Semra U. ging eigene Wege. Gegen den Willen ihrer Familie verließ sie ihren Cousin, den sie als 16-Jährige in der Türkei geheiratet hatte. Zwei Monate nach der Scheidung wurde die 21-Jährige auf der Straße mit über 30 Messerstichen umgebracht – vor den Augen ihrer dreijährigen Tochter. Der geständige Täter: Cengiz U., ihr Ex-Mann. Seit gestern muss sich der 26-Jährige wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten.

Der Angeklagte, ein stämmiger Mann in dunklem Anzug, wollte sich gestern nicht zur Ehe oder Motiven äußern. Die Tat gebe Cengiz U. aber zu, sagte sein Verteidiger und kündigte für später eine genauere Erklärung an. Aus Sicht des Anwalts war es kein „Ehrenmord“. Auch habe es sich nicht um eine Zwangsehe gehandelt. Dagegen erklärte die Nebenklage-Anwältin: „Was soll es denn sonst gewesen sein?“ Der Vater habe seine Tochter „verkauft“, sagte die Anwältin.

Die türkischstämmige Semra U. ist in Berlin aufgewachsen. Als sie zwölf war, soll sie bei einer Reise in die Osttürkei mit ihrem Cousin Cengiz verlobt worden sein. Vier Jahre später dann war Hochzeit. Der Ehemann zog mit nach Berlin. Im März 2001 wurde Tochter Eda geboren. Für Semra sei die Ehe mit dem ungeliebten Mann äußerst brutal verlaufen, sagte die Nebenklage-Anwältin. Die junge Türkin, eine traditionell-religiöse Frau, die nie ohne Kopftuch aus dem Haus ging, hielt still. Bis vor zwei Jahren ein anderer Cousin aus der Türkei kam: Es war jener Mann, den Semra schon immer geliebt hat. Sie brach aus der Familie aus, nahm ihre Tochter mit, bekam mit dem neuen Partner einen Sohn.

Am 25. November 2004 ging Semra mit der kleinen Tochter und einer Freundin zum Jugendamt. Dort sollte Eda ihren Vater Cengiz U. treffen. Diese Zusammenkünfte waren nur unter Aufsicht erlaubt. Für Cengiz U. ging es inzwischen auch um sein Bleiberecht. Ein inniger Kontakt zu seinem Kind wäre ein gutes Argument gewesen. Doch die Kleine wollte nicht mit ihm spielen. Schlimmer noch. „Ich will nicht zu Onkel Cengiz“, sagte sie, was ein enges Verhältnis unglaubwürdig machte. Kurz nach dem Treffen im Jugendamt rief Semra U. von der Telefonzelle ihre Anwältin an. Da zog ihr Ex-Mann ein Messer.

„Er stach mit voller Wucht zu, es war Hass, er wollte sie töten“, sagte die 42-jährige Freundin von Semra als Zeugin aus. „Nutte“, habe der Angeklagte gebrüllt und wie von Sinnen immer wieder zugestochen. Auch Passanten, die helfen wollten, seien von ihm bedroht worden. „Er war kein Mensch mehr“, erinnerte sich die Zeugin. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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