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Berlin: BSE: Gähnende Leere an vielen Wurst- und Fleischtheken

In vielen Tausend Berliner Haushalten dürfte heute der gewohnte Sonntagsbraten ausfallen. Gähnende Leere vor vollgepackten Fleisch- und Wurstheken in den Supermärkten zeugte gestern davon, dass die Berichterstattung über die ersten BSE-Fälle in Deutschland die Kunden stark verunsichert hat.

In vielen Tausend Berliner Haushalten dürfte heute der gewohnte Sonntagsbraten ausfallen. Gähnende Leere vor vollgepackten Fleisch- und Wurstheken in den Supermärkten zeugte gestern davon, dass die Berichterstattung über die ersten BSE-Fälle in Deutschland die Kunden stark verunsichert hat. Sie kauften insgesamt weniger Rindfleisch, hielten sich aber auch sonst mit dem Fleischkauf zurück. Wie hoch die Umsatzeinbußen sind, ließ sich noch nicht absehen. Fleisch-Fachhandlungen sprachen dagegen von gewohntem Verkauf, allerdings hätten die Kunden mehr als sonst nach der Herkunft der Ware gefragt.

"Verstehen Sie mich bitte nicht falsch", fing beispielsweise eine Kundin bei Meyer-Beck am U-Bahnhof Krumme Lanke ein Gespräch über die Ladentheke an. Sie kaufe hier seit Jahren Fleisch, wolle aber nach der aktuellen Berichterstattung über BSE ganz sicher gehen, dass keine Gefahr für sie und ihre Buletten bestehe. Die Verkäuferin beruhigte und reichte einen Informationszettel über die Etikettierung von Rindfleisch. Die Kundin bestellte ohne zu lesen ein Pfund Rindergehacktes. Eine andere Frau erzählte, sie habe, von Fernsehberichten des Vorabends erschreckt, sofort ein gerade gekauftes Steak weggeworfen.

An der Wurstheke nebenan war morgens um halb zehn überhaupt nichts los. Eine Verkäuferin schaute traurig auf das reichhaltige Sortiment. Sonst hätte sie um diese Zeit mehr zu tun, sagte die Frau. Es sei alles sehr traurig, "schade um die Wurst." In anderen Supermärkten der Stadt mit Frischfleisch-Abteilungen sah es ähnlich aus, aber auch bei abgepackter Ware wurde gestern intensiv auf die Etikettierung mit möglichst vielen D-Zeichen geachtet. Kunden wollten außerdem bemerkt haben, dass die Geflügelpreise bei einigen Händlern deutlich gestiegen sind, offenbar wegen der wachsenden Nachfrage nach Alternativen.

Bei Reichelt war das Kaufverhalten der Kunden gegen Mittag "schwer abzuschätzen", von Filiale zu Filiale unterschiedlich. Als "normal bis leicht rückläufig" schätzte ein Sprecher die Lage ein. Es werde viel gefragt, und man könne beruhigende Auskunft geben. Das Unternehmen erwarte keinesfalls, auf Fleisch sitzen zu bleiben, zumal die eigene Fleischerei je nach Bedarf schlachte. Von den anderen großen Filialketten waren keine Stellungnahmen zu erhalten.

Die Tiergartener Fleischerei Staroske teilte mit, sie habe bei verunsicherten Kunden "viel Fachberatung" leisten müssen. Die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau wies gestern wegen der allgemeinen Unruhe auf die "echte Alternative Biofleisch" hin. BSE hätte in Europa nicht entstehen können, wenn die Tierhaltung nach den Richtlinien des Ökologischen Landbaus erfolgt wäre.

Im KaDeWe, das mit rund 120 000 Besuchern das erste große Weihnachtsgeschäft verbuchte, trübte der Rindfleisch-Verkauf keineswegs die Stimmung. Die Nachfrage sei "nicht geschwächt", hieß es am Nachmittag.

C. v. L.

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