zum Hauptinhalt

Berlin: Buch und seine Bücher: Ein Kapitel für sich

Endstation Buch. Der Stadtteil ist nicht gerade ein Stück Berlin wie es im Buche steht.

Endstation Buch. Der Stadtteil ist nicht gerade ein Stück Berlin wie es im Buche steht. Die Stadt schlägt ein neues Kapitel auf. Eine Menge Gegend liegt rechts und links der S-Bahn-Gleise. Ein weites Feld. Es reicht fast bis an die Plattenbauten, die in der Landschaft herumstehen, als hätte ein Riesenbaby mit Betonbrocken gewürfelt. Irgendwo plätschert die Panke. Es gibt sogar einen Schlosspark. Aber das Schloss ist weg - wie der Glockenturm der nahen Kirche. Ziemlich verwirrend dieses Buch, das als Ortsteil zu Pankow gehört und dessen Name so belesen anmutet.

Aber dafür tauchen eine Menge handelnder Personen darin auf. Die Verkäufer des Wochenmarktes haben zwar nicht gerade den Stoff, aus dem die Träume sind, im Angebot, aber immerhin von Aal bis Ziegenkäse so ziemlich alles Essbare. Aber von geistiger Nahrung, also vom guten Buch in Buch, ist noch keine Spur. Doch halt. Ich weiß einen Ort, bedeutet eine Bucherin. Sie zeigt zu einem zweistöckigen Betonquader hinüber, auf dem das Wort "Dienstleistungen" vor sich hinblättert. Und tatsächlich befindet sich darin ein literarischer Ort: die Bücherei. Katrin Weber, eine der fünf Bibliothekarinnen, lotst den Besucher freundlich durch die Regalgänge. Auf den 300 Quadratmetern sind 4000 Medien, also Bücher, CDs, Kassetten, Videos, zu finden, sagt sie. Und seit 23 Jahren gibt es die Bücherei. Eigentlich waren die Räume der Post zugedacht, aber die wollte partout nicht einziehen. Zum Glück für die Bucher und die Bücher.

4000 Namen stehen in der Kartei. Viele Kinder und Jugendliche sind darunter, die auch schon mal in der Hofpause vorbeischauen. Man zeigt Verbundenheit mit der Bücherei. Es gibt Leser, die kamen erstmals als Erstklässler. Bewohner aus dem nahem Umland versorgen sich hier mit Wälzern für lange ländliche Leseabende. Haben die Bucher eine besondere Beziehung zu Büchern? Naja, schränken die Bibliotheksfrauen ein, man merke eben, dass es wenig Kultur hier gebe. Ansonsten werde das Übliche verlangt: Grisham & Co.

Diese Ansicht teilt auch Michael Kowarsch. Dem gebürtigen Bucher und gelernten Buchhändler gehört einer von zwei Buchläden am Ort. Wobei sein Laden außer Konkurrenz läuft, denn der andere verkauft medizinische Literatur. Bekanntlich gibt es viele Krankenhäuser und medizinische Forschungsstätten in dem Stadtteil, diesem Buch der Gesundheit. Kowarschs Lädchen hat nur 50 Quadratmeter, und schwer zu finden ist es auch noch. Aber dies macht nichts, sagt Kowarsch, der am letzten Tag der DDR seinem Leben neue Seiten abgewann, indem er "Bücher in Buch" eröffnete. Seine Kunden finden auch trotz der Randlage zu ihm. Der Bucher Leser nach Kowarscher Lesart ist eher konservativ: Er mag das "gute Buch", das seinen Wert behält, weil es eine vernünftige Handlung und einen vernünftigen Einband hat. Besonders beliebt bei Neu-Buchern sind zudem Chroniken über den Ortsteil. Darin ist nachzulesen, dass es Buch schon viel länger als das Buch gibt: In grauer Vorzeit ließen sich hier Slawen nieder. Später fand der Vorposten der Zivilisation eine urkundliche Erwähnung als "Buckslavica" und "Wentschenbuk". Dabei nannten die Früh-Bucher ihren Ort natürlich nicht aus Liebe zum Lesestoff so, sondern weil drumherum eine Menge Buchen standen. Aber die sind heute auch schon Geschichte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false