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Bestsellerautor Ferdinand von Schirach während des Gesprächs auf der Bühne des Kammermusiksaals.

© Jörg Carstensen/dpa

Buchpremiere in der Philharmonie: Stühlerücken, Streitgespräch und "Strafe"

Ferdinand von Schirach präsentiert sein neues Buch als Konzertlesung in der Philharmonie - mit viel Prominenz und einem irritierenden Gespräch.

„Ich trau mich gar nicht mehr zu lesen, wenn ihr so spielt“, sagt Ferdinand von Schirach. Ernsthaft begeistert scheint er zu sein von den drei Musikern der Berliner Philharmoniker, die seiner Lesung an diesem Abend im Kammermusiksaal den besonderen Rahmen verleihen sollen. Wow, unfassbar, sagt er, so oder so ähnlich, nach jeder kurzen Probe, mit dieser sanften, angenehmen Stimme, wie fürs Vorlesen gemacht.

Man hat ja länger nichts gehört von Ferdinand von Schirach. Nachdem sein Stück „Terror“ vor drei Jahren zunächst dem Theater – dann dem Fernsehpublikum mit höchster Einschaltquote die Frage stellte, ob man Menschenleben gegeneinander aufwiegen kann (Abstimmungsergebnis: ja = Freispruch), wurde es ruhig um den ehemaligen Strafverteidiger, der seit seinem Erstling „Verbrechen“ vor neun Jahren zum international gefeierten Bestsellerautor avanciert ist. Nun aber hat von Schirach ein neues Buch geschrieben und mit einer musikalischen Lesung am Montagabend in der Philharmonie präsentiert – mit eben jenen drei Musikern, Guy Braunstein (Violine), Amihai Grosz (Viola) und Olaf Maninger (Violoncello), im seit Wochen ausverkauften Kammermusiksaal. Mit Manninger ist der Autor befreundet, die Musikauswahl überließ er vertrauensvoll den Profis. "Das wäre ja anmaßend, wenn ich da reinquatschen würde", sagt er, findet das alles aber natürlich sehr gelungen.

Zwei Stunden vor Beginn ist von Schirach erstmal irritiert vom Hall in diesem Raum mit perfekter Akustik für Musiker, aber für Vorlesende? „Kriegt man davon noch etwas weg?“, fragt er, während hinter ihm Jörg Thadeusz verkabelt wird: Der RBB-Moderator ist für ein kurzes Gespräch mit dem Autor eingeladen worden, angenehme Stimmen unter sich. Auch er wird ermahnt, besonders langsam zu sprechen, weil sonst alles verschwimmt. Das ist später, als die Zuschauer dann da sind, nicht das Problem. Es wird eher ein Streitgespräch der beiden, etwas irritierend, als hätten sie sich abgesprochen, sich gegenseitig necken zu wollen und das geht dann irgendwie schief, weil von Schirach Thadeusz ständig ermahnt, obwohl er das erklärtermaßen gar nicht will. Um das neue Buch geht es dabei leider nicht, eher um Rechtsfragen im Allgemeinen, das hatten wir doch alles schon.

Aber zum Glück sind die Philharmoniker ja auch noch da und erlösen das Publikum nach rund 15 zähen Minuten mit Auszügen aus Bachs wunderbaren Goldberg-Variationen, bearbeitet für Streichtrio. Abwechselnd mit den Musikern liest von Schirach vier Geschichten aus dem neuen Buch „Strafe“ (Luchterhand Verlag, 192 Seiten, 18 Euro), warum die Stühle dabei ständig von rechts nach links gestellt werden und die Musiker mal vorn, mal hinten sitzen, versteht kein Mensch.

Das alles aber verblasst hinter diesen typischen, starken Beschreibungen, von Schirachs, der im dritten Teil seiner "Sotries" natürlich nichts neu erfunden hat, aber es ist ja auch erklärtermaßen der Abschluss einer Trilogie – nach „Verbrechen“ und „Schuld“ –, wie von Schirach kürzlich dem RBB erzählte (der in der Nacht von Freitag auf Samstag, 16.3., 0.05 Uhr einen Zusammenschnitt sendet).

Die letzte Geschichte kommt zum Schluss, es kann nicht anders sein. In „Der Freund“ wechselt er vom auktorialen zum Ich-Erzähler, eine sehr persönliche Erinnerung an seinen Schulfreund Richard. Dessen Frau wird bei einem Raubüberfall im Central Park getötet, Richard verschüttet den Kummer systematisch unter Alkohol und Drogen, mit der zwangsläufigen Folge. Von Schirach trifft ihn ein letztes Mal an einem Ort ihrer Kindheit in der Normandie.

Ein paar Monate später habe er mit dem Schreiben begonnen, der Ausgangspunkt der Bücher zum Abschluss, eine runde Sache.

Den Abschluss des Abends aber dürfen die Philharmoniker bestreiten (dann wieder vorn sitzend), Beethoven, Streichtrio in c-Moll (op. 9 Nr. 3, 1. Satz), ein recht verhaltener Applaus für eine solche Buchprämiere, aber es wurde schließlich auch deutlich überzogen, zwei Stunden ohne Pause. Zum anschließenden Empfang dürfen nur geladene Gäste, darunter einige Schauspieler wie Iris Berben und ihr Lebensgefährte Heiko Kiesow, Filmproduzent Oliver Berben, Ex-Eiskunstläuferin Kati Witt, Regisseur Detlev Buck, Sänger Max Raabe, Springer-Vorstand Mathias Döpfner und natürlich allerhand Jura-Prominenz, zum Beispiel Christian Schertz.

Ferdinand von Schirach ist einer der letzten Gäste, er wirkt erleichtert, dass das Buch nun auf dem Markt ist, der Beginn des Lesereisenmarathons gemacht. Auch Jörg Thadeusz ist da. Gestritten wird nicht mehr.

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