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Berlin: Bügeln, bis alles ganz glatt ist

Anuschka Höveners Kleider sind so präsent, dass man sich beim bloßen Anschauen vorstellen kann, wie man sich darin fühlen wird

Von Grit Thönnissen

Anuschka Hövener lebt seit dreieinhalb Jahren in Berlin. Sie hat auch in London und New York gearbeitet, doch ihre erste Kollektion entstand hier. Deshalb hätte sie nichts dagegen, mit der Berliner Modeszene in Zusammenhang gebracht zu werden – sie möchte nur selber aussuchen, in welchen. „Wenn man im falschen Kontext auftaucht, ist das schlecht für die Kleider", sagt sie.

Außerdem, hat Anuschka Hövener es von ihren Professoren auf der Burg Gibichenstein in Halle mit auf den Weg bekommen, muss man sich seinen Job selbst kreieren. Das tut sie in ihrem Atelier in der Schwedter Straße. An der einen Wand stapeln sich in tiefen Regalen Kartons, bunte Stoffe, Bilder und Bücher bis unter die Decke. Davor steht eine Nähmaschine, auf einem Bügelbrett liegt eine Bluse, halb gebügelt.

Bügeln ist wichtig für Anuschka – Knitter, die dem Zufall überlassen werden, gibt es bei ihr nicht. „Bügeln bis alles ganz glatt ist“, steht im Manifest zu ihrer Abschlussarbeit und: „Fusseln sind zum Kotzen“. Klare Aussagen, die in klare Entwürfe verwandelt werden. Die hängen geometrisch ausgerichtet an einfachen Metallstangen an der gegenüber liegenden Wand, einer roten Backsteinmauer.

Baumwolle ist der Stoff. Blau, Schwarz, Petrol, Weiß und Beige sind die Farben, ruhig und bestimmt die Linien. Anuschkas Kleider sind wie minimalistische Landkarten; tiefe und exakte Falten durchziehen wie Kanäle das Vorderteil eines Rocks, um dann auf Kniehöhe eine Kurve zu beschreiben. Feine Nahtsteppungen gliedern ein Oberteil wie die Markierungen eines Höhenzuges. Fast reicht es schon, die Jacken, Kleider und Röcke zu betrachten, so präsent sind sie, so sehr kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie man sich in ihnen fühlen wird. „Meine Sachen sind realistisch, ich mag halt richtige Kleidungsstücke“, sagt die 32-Jährige. „Wahrscheinlich werde ich nie kleine Chiffonteilchen machen.“

Dies ist die erste Kollektion von Anuschka Hövener, genäht in einer Manufaktur in Brandenburg. Jetzt ist umgesetzt, was sie im Modedesignstudium lernte: Wie man aus Ideen und Stoff Kleidung macht. Jetzt müssen die Kleider raus in die Welt und getragen werden. Aber wie fängt man an? Ein eigener Laden? Von Geschäft zu Geschäft ziehen? Hausieren – das kommt für sie nicht in Frage. Genau wie für ihre Entwürfe will sie fürs Geschäftliche klare Linien: „Meine Hauptaufgabe ist jetzt zu sehen, wo ich hingehöre. Wie für seine Kinder wünscht man sich für seine Kleider einen guten Kontakt.“ Sie tut die Bemerkung gleich vorsichtshalber als poetisch ab.

Mit der Außenwelt hat sie sich schon vertraut gemacht. Für sechs Wochen tauschte sie ihr Atelier im letzten Herbst gegen einen kleinen Laden in der Kastanienallee. „Das war das erste Mal, dass ich mich so dem Publikum ausgesetzt habe. Ich dachte, das wird bestimmt langweilig, den ganzen Tag nur rumzusitzen.“ Doch nicht gerechnet hatte Anuschka damit, dass sie zu einer Forscherin in eigener Sache werden würde. „Das war richtige Zielgruppenanalyse. Ich weiß jetzt, wie die Leute auf meine Kleidung reagieren“, sagt sie jetzt.

Die Designerin dachte, sie müsste über die Farben und die Länge der Röcke diskutieren, jede Falte verteidigen. Doch die meisten akzeptierten, was in dem kleinen Raum hing, und kauften. Sie konnte sogar Kontakte zu potenziellen Einkäufern nach Frankreich und in die USA knüpfen.

Die meisten Kundinnen kamen alleine. „Meine Sachen taugen wahrscheinlich nicht dafür, dass ein Mann sagt: ,Komm, ich kaufe dir was Schönes.‘“ Das erotische Element in ihrer Kleidung ist zu versteckt und nicht schon am Bügel zu erahnen. „Es kommt auf den Typ Frau an – das Kleid mit hohem Kragen kann schon sexy aussehen“, findet die Designerin.

Ende Dezember brachte sie ihre Kollektion zurück in ihr Atelier. „Es war eine schöne Zeit, es hat mich beflügelt und ich verlasse mich jetzt auf mich.“ Jetzt kommt die nächste Phase. Gerade war sie in Rotterdam und hat sich einen Laden angeschaut, der ihre Kleider verkaufen will. Bald fährt sie nach New York und nimmt ihre Entwürfe auch dorthin mit. Sie wird mit Sorgfalt wählen. Die Platzierung soll so makellos sein wie die Kleider.

Anuschka Hövener verkauft ihre Kollektion in ihrem Atelier in der Schwedter Straße 34 a in Berlin-Mitte. Absprache unter Telefon: (0177) 203 04 34 .

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