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Burlesquebar in Berlin: Eine Kunst voller Weiblichkeit

Die erste Burlesquebar hat in Berlin eröffnet: Die Chansonnetten singen, tanzen und schauspielern. Wenn sie aber die Hüllen fallen lassen, ist das kein Strippen. Coco Clownesse, Bana Banana und Rosie Riot verstehen sich vielmehr als Göttinnen, die Frauenpower verkörpern.

Coco Clownesse schlüpft schnell in ein Rüschenhöschen und ein Korsett. Nur noch 15 Minuten hat die Chansonette Zeit, dann muss sie auf die Bühne. Ihre Lippen sind rot geschminkt, die unechten Wimpern kleben fest, auch die Haartolle sitzt. Nur das Mikro funktioniert noch nicht – und das braucht sie dringend, um gleich die Show in der neu eröffneten Bar „Lilly’s Wonderland“ zu moderieren. Der, wie es heißt, ersten Burlesquebar in Berlin.

"Wir zelebrieren das Frau-Sein"

„Ich spiele gerne mit meinem Sexappeal“, sagt sie, beugt sich dicht vor den Spiegel und setzt einen kleinen Hut auf. „Das ist für uns eine Art Lebensstil.“ Mit uns meint sie sich selbst, Bana Banana und Rosie Riot – zusammen sind sie das Showtrio an diesem Abend. Während ihrer 90-minütigen Performance werden sie sich akrobatisch bewegen und singen, schauspielern, tanzen, die Hüllen fallen lassen. „Das heißt aber nicht, dass wir strippen“, sagt Coco Clownesse. „Wir zelebrieren vielmehr das Frau-Sein!“

Der Begriff „Burlesque“ stammt von dem italienischen Wort „burla“, das übersetzt „Schabernack“ bedeutet, und entstand im italienischen Theater des 16. Jahrhunderts als humorvoll-spöttische bis groteske Darstellung der Realität. Nach und nach verbreiteten sich Varianten der Burleske überall in Europa, bis daraus im London des 19. Jahrhunderts die erotisch aufreizende Show wurde. Seine Glanzzeit erlebte das Genre schließlich vor dem Zweiten Weltkrieg mit dem berühmten Moulin Rouge in Paris, doch nach ein paar schwierigen Jahrzehnten gewinnt die Burleske nun wieder deutlich an Popularität.

Auch in Berlin, wo beispielsweise das Varieté Wintergarten in der Potsdamer Straße 96 in Tiergarten im September für drei Tage zu „Berlins erstem Burlesque Festival“ lädt und der Veranstalter Burlesque Berlin seine Shows anbietet. Die Kleine Nachtrevue in der Kurfürstenstraße 116 in Schöneberg gibt es sogar schon seit 20 Jahren.

Burlesquekunst hat viel mit Weiblichkeit zu tun

„Zwar bieten viele Veranstalter in Berlin an, Burlesquetänzerinnen für einen Abend zu buchen, aber bei uns gehören sie nun zum festen Konzept“, sagt dazu Björn Wohler, der „Lilly’s Wonderland“ mit seiner Ehefrau Julie Adamski betreibt. Jeden Freitag und Sonnabend finden die Auftritte verschiedener Künstlerinnen künftig statt, an den anderen Tagen läuft der übliche Barbetrieb.

Die Macher. Julie Adamski und ihr Ehemann Björn Wohler betreiben die Burlesquebar.
Die Macher. Julie Adamski und ihr Ehemann Björn Wohler betreiben die Burlesquebar.

© promo

Am ersten Abend sind rund 40 Frauen und Männer gekommen, damit ist die Bar voll. Auf der Bühne geht es nun los: Coco Clownesse erzählt nach ihrem ersten Song von einem jungen Mann, den sie vor einiger Zeit nach einem Auftritt kennengelernt habe. Er sei leider nur auf der Durchreise gewesen, aber habe ihr zumindest ein Andenken dagelassen. Sie grinst und streichelt sich über ihren Babybauch. „Auch mit meiner Schwangerschaft kann ich als Burlesquekünstlerin auftreten“, hatte sie zuvor in der Umkleidekammer erklärt. „Das hat immerhin sehr viel mit Weiblichkeit zu tun.“ An diesem Abend wird sie noch von einer weiteren Liebe erzählen. Einer unerwiderten zu einer Französin. Ihr Name war Jeanette.

Mit lasziven Bewegungen fesselt sie den Mann mit ihren Seidenstrümpfen

Auch ihre Kolleginnen schlüpfen im Laufe der Nacht in verschiedene Rollen. Rosie Riot ist unter anderem eine Frau, die sich nicht entscheiden kann, was sie anziehen soll. In weißen Strümpfen, Strapsen und Corsage steht sie auf der Bühne und schneidet sich, wütend über die eigene Unentschlossenheit, schließlich das zugebundene Oberteil nach und nach auf. Am Ende bedecken nur noch zwei glitzernde Paillettenhütchen ihre Brüste. Das Publikum applaudiert. Auch Lotti Liebling klatscht, sie ist selber Burlesquetänzerin. „Die Show ist wirklich sehr, sehr schön! Die Zuschauer könnten nur noch etwas lockerer sein“, sagt sie mit einem Zwinkern und nippt an ihrem Glas. Vor allem ein Mann wirkt wenig später ziemlich überfordert. Ohne Vorwarnung zieht Bana Banana ihn auf die Bühne, setzt ihn auf einen Stuhl und legt los. Mit lasziven Bewegungen fesselt sie den Herren mit ihren Handschuhen und Seidenstrümpfen, setzt sich auf seinen Schoß, lässt die Beine baumeln und legt Stück für Stück ihr Kostüm ab. Genau hingucken mag der eingeschüchterte Gast nicht, ganz weggucken auch nicht.

Stress mit männlichen Besuchern kennen die Frauen nicht. „Unser Publikum ist ziemlich weiblich, selbst die Männer kommen nicht so sehr aus voyeuristischen Gründen“, sagt Coco Clownesse. Zudem verstehen sie und ihre Kolleginnen sich weniger als ästhetische, vielmehr als komische Göttinnen. Als verkörperte Frauenpower, nicht als unerreichbares Ideal.

Lilly’s Wonderland Bar – Burlesque, Kietzer Straße 3 in Köpenick, täglich von 20 bis 6 Uhr geöffnet

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