zum Hauptinhalt
Wie vom Erdboden verschluckt: Köpenicker Grundschüler lernen bei der BVG, wie leicht man im toten Winkel verschwinden kann.

© Ilja Behnisch

BVG, ADAC und Senat beugen Unfällen vor: Aha-Effekt bei der Vollbremsung

Für die Kleinsten ist die Gefahr auf der Straße oft am größten. BVG und ADAC laden deshalb zur Schüler-Aktion „Mit dem Bike und zu Fuß sicher unterwegs“ – und bringen Kinder zum Staunen.

Ein Raunen geht durch die Klasse 5a der Müggelschlösschenschule aus Köpenick. Die Schüler sind überrascht, wie sehr sie dann doch danebenlagen bei der Aufgabe, den Bremsweg einer Straßenbahn richtig zu schätzen. Bei Tempo 30 haben die Bahn und ein nebenherfahrendes Auto gleichzeitig voll gebremst. Das Ergebnis ringt den Kindern Respekt ab: Die Tram benötigt etwa den dreifachen Weg, um zum Stehen zu kommen.

In Zusammenarbeit mit der BVG und dem Senat hat der ADAC zum inzwischen siebten Mal zu den Aktionstagen „Mit dem Bike und zu Fuß sicher unterwegs“ eingeladen, die in diesem Jahr vom 9. bis 11. September sowie vom 16. zum 18. September stattfinden. Etwa 3600 Kinder aus 165 Berliner Schulen konnten bislang ihre ganz eigenen Erfahrungen mit den speziellen Anforderungen sammeln, denen sich die Busse und Bahnen der BVG täglich im Straßenverkehr ausgesetzt sehen.

Auf dem Gelände des BVG-Betriebshofs in der Bernkasteler Straße in Weißensee gehen am gestrigen Donnerstag also zwei fünfte Klassen der Müggelschlösschenschule an die vorbereiteten Stationen. Auf einem Fahrradparcours trainieren die Kinder zunächst ihre Geschicklichkeit, ehe sie an einer zweiten Station ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem so gefährlichen „toten Winkel" machen. Jeweils zwei Kinder dürfen auf dem Fahrersitz eines Doppeldeckerbusses Platz nehmen, während ihre Mitschüler außerhalb Position beziehen. Können die Aushilfsbusfahrer ihren Klassenkameraden noch fröhlich über den großen Seitenspiegel zuwinken, als diese sich vor der mittlereren Bustür versammeln, ist das Erstaunen umso größer, als die Schulfreunde plötzlich wie vom Erdboden verschluckt im „toten Winkel“ verschwunden scheinen.

Jeder Unfall zeigt, wie wichtig die Aktionstage sind

Einen mindestens ebenso großen Aha-Effekt liefert dann der Bremsweg-Vergleich zwischen Tram und Pkw in einer Betriebshalle nebenan. Die Sicherheitsexperten von ADAC und BVG erklären nicht nur in der Theorie die Zusammenhänge von Geschwindigkeit, Bremsweg und Reaktionszeit, sondern veranschaulichen die Gefahren und Probleme von überhöhter Geschwindigkeit und Unaufmerksamkeit auch immer sofort am praktischen Beispiel.

Die Anfänge der Initiative im Jahr 2007 gehen auf eine seinerzeit gehäufte Anzahl an Unfällen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Da Kinder nicht nur die Fahrgäste von morgen, sondern zusammen mit den Senioren im Verkehrsalltag besonders gefährdet sind, entschloss sich der ADAC, die Aktionstage ins Leben zu rufen. Der Senat unterstützt das Vorhaben mit 40 000 Euro jährlich, der ADAC selbst steuert 10 000 Euro bei.

Das Gelände teilweise zu sperren, die Fahrzeuge bereitzustellen und die Aufklärungsarbeit seien jedoch sinnvolle Investitionen, erklärt Jörg Becker, Leiter Verkehr und Technik des ADAC Berlin Brandenburg, der sich zugleich bei dem „großartigen Engagement der Mitarbeiter der BVG“ bedankt. Zwar sei nicht abzuschätzen, wie viele Unfälle man durch die Präventionsarbeit vermeide. Doch jeder neue Unfall sei ein Beleg für die Notwendigkeit solcher Aktionstage.

Ein positives Fazit zieht auch der BVG-Fahrlehrer Rautenberg. Es komme häufiger vor, dass ihn Kinder, die ihn bei den Aktionstagen kennengelernt hätten, im täglichen Verkehr in seiner Tram ausmachen und fröhlich winken. Und immer wieder sei zu vernehmen, dass die Kinder mit ihren Erfahrungen aus den Aktionstagen als Multiplikatoren im Freundeskreis und der Familie wirken. Damit der Aha-Effekt bei einer Vollbremsung im Alltag möglichst ausbleibt.

Ilja Behnisch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false