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BVG-Streik: Berliner lassen sich nicht aus der Bahn werfen

Die Streiks gehen weiter - doch zum Chaos kommt es nicht. Die SPD und die Linke drängen den Senat und die Gewerkschaften zu Verhandlungen.

Überfüllte S-Bahnen, vollgestopfte Privatbusse, dichter Autoverkehr mit vielen Staus – aber kein Chaos: Die Lage am zweiten Tag des BVG-Streiks war angespannt, aber „den Umständen entsprechend gut“, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens hieß. Die zusätzliche Last hatte vor allem die S-Bahn zu tragen, die nach eigenen Schätzungen etwa 500 000 Fahrgäste mehr als an normalen Tagen beförderte, insgesamt knapp zwei Millionen. Das ging wegen der längeren Ein- und Ausstiegzeiten vor allem im Berufsverkehr nicht ohne Verspätungen von bis zu zehn Minuten ab. In der Zeit von 5 bis 22 Uhr waren außerdem 107 Busse von Privatunternehmen im Auftrag der BVG unterwegs. Diese seien „sehr voll“ gewesen, hieß es bei der BVG.

An der Streikfront bewegte sich dagegen nichts. Verdi-Sprecher Andreas Splanemann sagte, man habe derzeit festgefahrene Fronten. Den drohenden zusätzlichen S-Bahn-Streik am Montag nannte er ein „unglückliches Zusammentreffen“. Der Ausstand bei der BVG werde aber unabhängig davon fortgesetzt, bis ein verhandlungsfähiges Angebot des Verkehrsbetriebs vorliege. Dort hieß es dagegen, man habe über den Arbeitgeberverband bereits ein Angebot vorgelegt, das von der Gewerkschaft aber ohne wirkliche Verhandlung abgelehnt worden sei.

Während sich der Senat auch gestern bedeckt hielt und nur mitteilte, man hoffe auf eine rasche Lösung des Problems im Verhandlungswege, riefen die Verkehrsexperten der rot-roten Regierungsfraktionen beide Seiten zur Mäßigung auf. Beide Seiten sollten verbal abrüsten und wieder miteinander verhandeln, sagte Christian Gaebler von der SPD. Die Voraussetzung dafür sei, dass der Arbeitgeberverband sein Angebot, auch den Alt-Beschäftigten der BVG mehr Geld zu zahlen, schriftlich beziffere, betonte Jutta Matuschek von der Linken. Beide kritisierten Finanzsenator Thilo Sarrazin für seine Ankündigung, die Fahrpreise müssten erhöht werden, wenn sich die Gewerkschaft mit ihrer Forderung nach acht bis zwölf Prozent mehr Lohn durchsetze. Die Linke lehne solche Erhöhungen strikt ab, hieß es.

Spart die BVG durch den Streik Geld, wie der Finanzsenator meint? Wohl nur, wenn der Senat darauf verzichtet, seine Zuschüsse zu kürzen. Dazu ist er nach dem Verkehrsvertrag berechtigt, wenn die BVG die mit dem Land vereinbarte Verkehrsleistung nicht oder nur teilweise erbringt. Bei der BVG stellt man sich auf eine Kürzung von 500 000 Euro täglich ein – und kommt unter dieser Annahme ungefähr mit einer schwarzen Null davon. Die Rechnung, die die BVG nach Angaben ihrer Sprecherin Petra Reetz aufmacht, sieht so aus: Der fehlende Einzelverkauf von Fahrscheinen bringt ein tägliches Minus von 500 000 Euro, bei den Zeitkarten fehlen 300 000 Euro, bei den Senatszuschüssen voraussichtlich weitere 500 000 – das macht insgesamt Bruttoausfälle von 1,3 Millionen Euro. Denen stünden Einsparungen von einer Million Euro bei Löhnen und 300000 Euro bei Benzin und Strom gegenüber.

In dieser Rechnung sind allerdings andere, schwer berechenbare Faktoren nicht enthalten, die die Bilanz für die BVG weiter verschlechtern. So weiß niemand, wie viele Stamm- oder Gelegenheitskunden den Streik zum Anlass nehmen, dauerhaft auf andere Verkehrsmittel umzusteigen; dass die Bilanz auf jeden Fall negativ ausfallen wird und weitere Löcher in die Kasse reißt, gilt als sicher.

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