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Berlin: BVG-Traumata verarbeiten

Wie ein West-Berliner die Stadt erleben kann Mein peinlichstes Erlebnis mit der BVG habe ich einem engstirnigen Zugabfertiger zu verdanken. Ich war mit dem Rad unterwegs, es begann zu regnen, ich wollte die U-Bahn nehmen.

Wie ein West-Berliner die Stadt erleben kann

Mein peinlichstes Erlebnis mit der BVG habe ich einem engstirnigen Zugabfertiger zu verdanken. Ich war mit dem Rad unterwegs, es begann zu regnen, ich wollte die U-Bahn nehmen. Als ich auf den Bahnsteig kam, war der Zug bereits da, alle waren eingestiegen. Ich huschte in den ersten Wagen. Da dröhnte es über den Bahnsteig: „Nicht mit dem Fahrrad in den ersten Wagen steigen!“ Ich blieb, wo ich war. Da dröhnte es erneut aus dem Lautsprecher: „Der Zug fährt erst ab, wenn der Herr mit dem Fahrrad den ersten Wagen verlassen hat!“ Meine Mitfahrer guckten mich giftig an, einer fauchte: „Nu hau schon ab.“ Ich schob mein Rad aus dem Zug, trottete mit gesenktem Kopf zum zweiten Wagen, vorbei an Dutzenden genervter Fahrgäste, die mich anstarrten und wahrscheinlich für die dreiminütige Verspätung verteufelten.

Zurück blieb ein kleines BVG-Trauma, verdrängt bis zum vergangenen Wochenende. Da erfuhr ich in der Show des großen Alleinunterhalters Fil, dass ich mit meinem Trauma gar nicht alleine bin. Zum furiosen Abschluss des Abends trägt Fil einen Song darüber vor, wie es wäre, einmal mit dem Fahrrad in den ersten U-Bahn-Wagen zu steigen und drinzubleiben, egal was passiert! Seitdem läuft mir das Lied dauernd im Kopf herum: „Dann geh ich mit dem Fahrrad in den ersten Wagen, auch wenn der Wagen zerbricht…" – je häufiger ich das Lied vor mich hin summe, desto leichter wird die Erinnerung an jene peinlichen Minuten damals im U-Bahnhof.

Die Show ist übrigens auch ohne BVG-Trauma empfehlenswert. Wie Fil mit seinem Handpuppenhai Sharky existenzialistische Dialoge führt, das ist genial. Und durch die Szenen, in denen er unsere Generation der „Dirty Thirty“ zu erklären versucht, ist mir erst bewusst geworden, welche Bedeutung die Prägung durch Zahnspangendosen, Scout-Rucksäcke, Blockflötenstunden und Playmobilfrisuren für uns Mittdreißiger hat. Noch so ein Trauma, das man mal aufarbeiten müsste.

Fil (und Sharkey): „Ich bin nicht Adolf Hitler gewesen“. Tränenpalast (am Bahnhof Friedrichstraße) Mi-Fr 20.30 Uhr, vom 2.-6.6., sowie 4.-8.8., 11.-15.8. sowie 18.-29.8. Karten 15/17 Euro. Wer Fil heute an seinem auftrittsfreien Abend genießen will, der kann sich mit den Aufnahmen der Shows auf CD trösten: „Live against Death“ und „Drum und Bass“ (Der Rainer Records).

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