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Berlin: "Café Pssst!" darf bleiben: "Prostitution ist nicht sittenwidrig"

Erstmals hat ein deutsches Gericht die Prostitution eindeutig als "nicht sittenwidrig" erklärt. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Freitag darf eine Gaststättenbetreiberin ihre Lizenz behalten, obwohl sie Hinterzimmer an Prostituierte vermietet.

Erstmals hat ein deutsches Gericht die Prostitution eindeutig als "nicht sittenwidrig" erklärt. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Freitag darf eine Gaststättenbetreiberin ihre Lizenz behalten, obwohl sie Hinterzimmer an Prostituierte vermietet. Anders als nach der bisherigen Rechtsprechung werde damit nicht "der Unsittlichkeit Vorschub geleistet". "Die Wertvorstellungen zur menschlichen Sexualität haben sich gewandelt", sagte Richter Percy MacLean zur Begründung. Außerdem sei es nicht tragbar, dass Prostituierte zwar Steuern zahlen, eine Sozialversicherung aber vom Staat abgelehnt werde.

Vertreter der Regierungskoalition und der FDP begrüßten das Urteil. Eine Sprecherin des Frauenministeriums nannte es eine "mutige, bahnbrechende Entscheidung", der sich andere Gerichte anschließen sollten. Ein Gesetzentwurf zu diesem Thema sei in Vorbereitung, könne jedoch nicht vor dem Frühjahr verabschiedet werden.

Nach Auskunft der zuständigen Unterabteilungsleiterin aus dem Ministerium, Renate Augstein, werde jedoch keine Gleichstellung der Prostitution mit anderen Berufen angestrebt. "Sonst wäre die Frau den Weisungen eines Arbeitgebers unterworfen", sagte sie. Das Gesetz solle lediglich den Zugang zur Sozialversicherung ermöglichen. Die PDS-Fraktion hatte vor wenigen Wochen einen weiter gehenden Entwurf in den Bundestag eingebracht. Danach soll die Prostitution eine Sonderstellung im für Arbeitsverhältnisse geltenden Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs einnehmen. Prostitution wäre dann eine abhängige Beschäftigung, der Arbeitgeber hätte aber gerade kein Weisungsrecht.

Käufliche Liebe ist in Deutschland nicht verboten, wird aber durch gesetzliche Vorschriften und Rechtsprechung der Gerichte stark eingeschränkt. Die Einstufung als "sittenwidrig" führt zu zahlreichen Nachteilen, nicht nur bei der Sozialversicherung. So können Prostituierte beispielsweise ihr Honorar nicht einklagen, dürfen nur eingeschränkt werben und müssen ihrer Tätigkeit teilweise außerhalb bestimmter "Sperrbezirke" nachgehen. Ihre Arbeit wird auch nicht durch Artikel 12 der Verfassung, der Berufsfreiheit, grundrechtlich geschützt.

Im Gegensatz zu anderen Gerichten hat das Berliner Verwaltungsgericht zur Einschätzung der Sittenwidrigkeit von Prostitution erstmals Beweise erhoben. Über 50 verschiedene Verbände und Institutionen, darunter ÖTV, DGB und der Juristinnenbund wurden um Stellungnahmen gebeten. Bislang hatten mit dem Problem befasste Richter stets eigene Maßstäbe angelegt, was - so die juristische Definition der Sittenwidrigkeit - "gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt". Diese noch heute gängige Formel stammt vom Reichsgericht aus dem Jahr 1901.

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