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Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz.

© dpa

Camp am Kreuzberger Oranienplatz: Flüchtlinge zwischen den Fronten

Kann man verzweifelten Asylbewerbern am Kreuzberger Oranienplatz suggerieren, dass es ein dauerhaftes Bleiberecht für jeden von ihnen geben könnte? Verantwortungslos nennt Berlins frühere Ausländerbeauftragte Barbara John solche Argumente - und mahnt mehr Realismus an.

Von Sandra Dassler

„Ich habe nie unrealistische Versprechen gemacht“, sagt Rüdiger Veit: „Im Gegenteil – ich habe den Flüchtlingen gesagt, dass Leute, die ihnen dauerhaftes Bleiberecht versprechen, wenn sie nur lange genug hungern oder in der Kälte ausharren, sie für eigene Interessen missbrauchen.“

Rüdiger Veit ist Berichterstatter für Flüchtlingsfragen in der SPD-Bundestagsfraktion und hat vor gut fünf Wochen die Flüchtlinge am Brandenburger Tor zum Abbruch ihres lebensbedrohlich gewordenen Hunger- und Durststreiks bewegt. Die derzeitige Zuspitzung am Oranienplatz erinnert ihn sehr an diese Situation. Auch damals hätten einige der sogenannten Unterstützer den verzweifelten Asylbewerbern suggeriert, dass es ein dauerhaftes Bleiberecht für jeden von ihnen geben könne, sagt er. So etwas sei verantwortungslos und unrealistisch.

Barbara John mahnt mehr Realismus an

Realismus und zwar von allen Seiten mahnt auch die frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, an. Möglicherweise habe man im grünen Kreuzberg den Flüchtlingen gegenüber den Eindruck erweckt, man wolle und könne alles liefern, was diese begehren, sagt sie: „Das ist wohl ein grundsätzliches Problem zwischen dem dortigen Bezirksamt und den Flüchtlingen.“

Allerdings sieht Barbara John ebenso wie Rüdiger Veit die Gefahr der Instrumentalisierung der Flüchtlinge. „Ich habe den Eindruck, dass angefangen von linksautonomen Gruppen über die Kreuzberger Grünen bis hin zum Innensenator immer wieder eigene Interessen im Vordergrund stehen“, sagt sie: „Man macht Politik für die eigene Klientel und denkt nicht daran, dass dadurch die Empathie für Asylbewerber in der Bevölkerung schwindet.“ Die Flüchtlinge selbst könnten sich nicht dagegen wehren, zum Spielball der Interessen zu werden.

Flüchtlingsrat: Landespolitik könnte Aufenthaltserlaubnis für Flüchtlinge erwirken

Martina Mauer sieht das anders: Viele Unterstützer hätten Großartiges geleistet, sagt die Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrats: „Aber am Oranienplatz offenbart sich das Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik.“ Es reiche nicht aus, den Leuten ein warmes Quartier zu geben, wenn sie nicht wissen, was in drei Monaten sei:  „Die Landespolitik könnte im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister durchaus eine Aufenthaltserlaubnis für Flüchtlinge erwirken.“

Rüdiger Veit ärgert sich über solche Behauptungen: „Das ist der gleiche Blödsinn, den man schon den Flüchtlingen am Brandenburger Tor vorgegaukelt hat“, sagt er: „Auch wenn man über Residenzpflicht und Arbeitserlaubnis diskutieren kann, muss auch künftig jeder Fall individuell geprüft werden.“ Von den Flüchtlingen am Brandenburger Tor, die in von der Kirche bereitgestellten Einrichtungen in Neukölln untergebracht wurden, haben übrigens zwei inzwischen – nach entsprechender Prüfung – dauerhaften Asylschutz erhalten.

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