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Canisius-Kolleg: Vatikan: Verantwortung liegt bei deutschen Jesuiten

In Hildesheim und Hamburg gibt es neue Missbrauchsfälle. Die Katholische Kirche ruft Opfer auf, sich zu melden. Ankläger ermitteln in Baden-Württemberg.

Der Vatikan unterstützt die Aufklärung der Missbrauchsfälle an deutschen Jesuitenschulen. Der Sprecher der Kirchenführung, Federico Lombardi, sagte aber, dass die katholischen Autoritäten im jeweiligen Land dafür zuständig seien. „Es gibt Gremien in Deutschland, die genau das jetzt tun müssen“, sagte der Pater, selbst Mitglied des Jesuitenordens. „Spezielle Informationen über Vorfälle wie diese haben wir nicht, der Skandal ist uns durch die Medien bekannt.“

Nach Auskunft von Lombardi betrachtet der Vatikan die Offensive des deutschen Jesuiten-Chefs Stefan Dartmann als richtig. Dieser sagte am Montag in Berlin: „Ich bitte um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals an Hinschauen und angemessenem Reagieren unterlassen wurde.“ Vor allem in den 70er Jahren hatten sich zwei Lehrer des Berliner Canisius-Kollegs in Tiergarten an mehreren Schülern vergangen. Die Täter sind später in andere kirchliche Einrichtungen weitergereicht worden. Sie sollen so für Missbrauchsfälle in Hamburg und im Schwarzwald, möglicherweise auch in Göttingen, Hildesheim, Chile und Spanien verantwortlich sein.

Gestern teilte der Jesuitenorden mit, dass inzwischen noch ein weiterer dritter Pater wegen mutmaßlicher Übergriffe verdächtigt wird. Er soll die Missbräuche von 1972 bis 1975 als Jugendseelsorger in Hannover begangen haben, er hat sich bisher aber nur zu einer Tat bekannt. Zuvor sei der Geistliche von 1970 bis 1971 am Berliner Canisius-Kolleg als Religionslehrer tätig gewesen und später nach seiner Zeit in Hannover bis 1983 erneut in der Jugendarbeit in Berlin und danach in Hamburg. Der Orden konfrontierte ihn mit den Vorwürfen, nachdem sich in den vergangenen Tagen drei seiner einstigen Schüler als Opfer gemeldet hatten.

Einer der beiden Lehrer, die am Canisius-Kolleg Übergriffe begingen, wechselte nach seinem Dienst in Berlin ins Bistum Hildesheim, wo er zwischen 1982 und 2003 in verschiedenen Gemeinden als Pfarrer tätig war. Am Dienstag teilte das Bistum mit, dass Peter R. auch während dieser Zeit Jugendliche sexuell belästigte, derzeit seien zwei konkrete Fälle bekannt. So habe bereits 1993 eine Mutter den damaligen Hildesheimer Bischof Josef Homeyer informiert, dass R. ihre 14-jährigeTochter unsittlich berührt habe. R. sei daraufhin die Jugendarbeit untersagt, dies Verbot aber nicht konsequent durchgehalten worden. Als R. 1995 den Jesuitenorden verließ, nahm ihn das Bistum Hildesheim sogar als Priester auf. 1997 folgte seine Versetzung nach Wolfsburg. Der dortige Prälat Heinrich Günther sagte, die Vorgeschichte des Peter R. sei ihm damals nicht bekannt gewesen.

Hans-Joachim Osseforth, Pfarrer der Gemeinde St. Maximilian Kolbe in Hannover, in der R. von 1999 bis zum Sommer 2003 arbeitete, fragte zwar nach dem Grund für R.s Versetzung. Die Antwort lautete jedoch, es habe „Unregelmäßigkeiten mit den Finanzen gegeben“. Daraufhin habe er ihn vom Geld ferngehalten. Von Übergriffen auf Kinder sei jedoch keine Rede gewesen. Auch habe sich bis heute niemand über R. beschwert, der auch in Hannover zwei Jugendfreizeiten organisierte. Osseforth will nun in seiner Predigt am Sonntag die Gemeinde dazu aufrufen, ihm alles bislang möglichweise verschwiegene mitzuteilen.

In Hamburg wirkte am Dienstag der Direktor des St. Ansgar Gymnasiums, Friedrich Stolze, erleichtert, als er die Frage verneinen konnte, ob zu den bereits am Montag bekannt gewordenen drei Fällen von sexuellem Missbrauch durch Wolfgang S., den früheren Lehrer des Canisius-Kollegs, noch weitere hinzugekommen seien. Stolze thematisierte in einer Ansprache vor der Schülerschaft die Übergriffe, ein Brief an alle Eltern soll folgen. Je offensiver sein Gymnasium mit dem Problem umgehe, desto eher werde wieder Alltag in die Schule einkehren, sagte er. Stolze erlebte Wolfgang S. selbst noch ein Jahr als Pädagoge in Hamburg. Im Kollegium sei er geschätzt worden, Kollegen des damaligen Sportlehrers seien betroffen. Sie versicherten, dass es zu „keinem Zeitpunkt irgendwelche Hinweise“ zu den nun bekannt gewordenen Übergriffen durch S. gegeben habe. Er unterrichtete von 1979 bis 1982 an der Hamburger Schule. Die 1946 gegründete Eliteschule wurde bis 1977 nur von Jungen besucht. Geleitet wurde die Schule in diesem Zeitraum von Jesuiten. Der letzte Jesuit verließ die christliche Schule 1993.

Im Skandal um sexuellen Missbrauch durch den Berliner Ex-Lehrer Wolfgang S. kündigte auch der Rektor des Kolleg Sankt Blasien im Schwarzwald rückhaltlose Aufklärung an. Auch dort haben sich bereits zwei Opfer gemeldet, mit weiteren Fällen wird gerechnet. Zudem müssten heutige Schüler ermutigt werden, sich öffentlich zu beschweren, wenn sie Opfer von Gewalt würden, teilte das Rektorat mit. Pater Wolfgang S. war von 1982 bis 1984 an dem Kolleg im Schwarzwald tätig. Die baden-württembergische Staatsanwaltschaft hat nun ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Berliner Behörden prüfen noch, ob die Fälle in Berlin verjährt sind oder nicht (siehe Text unten).

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