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Berlin: Chamäleon-Künstler bekennen Farbe

Sie starteten eine Hilfsaktion und bewahrten das Varieté in den Hackeschen Höfen vor der Insolvenz. Nun will das Haus weg vom Touristen-Image

So sehen wohl entspannte Menschen aus. Hacki Ginda, Peter Rose und Axel Schwarzberg, allesamt Gesellschafter des Chamäleon-Varietés in den Hackeschen Höfen, sitzen bei Kaffee und Mineralwasser im Zuschauerraum ihres Hauses und plaudern über das Aus, das ihrer Spielstätte bis vor kurzem bevorstand. Die Rettung des Chamäleon ist seit Anfang August unter Dach und Fach.

„Die letzten Wochen waren schon ein bisschen wie im Krimi“, berichtet Rose. Ausgerechnet am Freitag, den 13. Juni 2003, hatte das Varieté Insolvenz anmelden müssen, Gagen und Gehälter konnten nicht mehr ausgezahlt werden. Grund war der eigentlich übliche Einbruch bei den Zuschauerzahlen im Sommer, der in diesem Jahr besonders heftig ausgefallen sei. „Wir machen unser Geld eher in den dunklen Monaten“, erklärt Rose und meint, dass sich das Haus im Winter mit seinem größerem Besucherzustrom ein Polster für den Sommer schaffen muss. Das klappte im vorigen Jahr nicht, denn hinzu kamen Schuldenverpflichtungen, die das Chamäleon schon längere Zeit vor sich herschob. Die Betreiber hatten sich Ende der 90er Jahre mit einem Ableger in Wedding, dem „Glaskasten“, finanziell überhoben: Die erhofften Besucherzahlen blieben aus. Zeitweise habe das Chamäleon etwa eine Viertelmillion Euro Schulden angehäuft.

Die Rettungsaktion startete einen Tag nach der Insolvenz. Ehemalige und aktive Künstler des Hauses trommelten eine Versammlung zusammen. Viele erklärten sich bereit, den Spielbetrieb vorerst ohne Gage aufrecht zu erhalten. Unter dem Motto „Farbe bekennen, Chamäleon retten“ wurde zudem im Internet um Unterstützer geworben. Auf einmal meldeten sich Freunde und Unterstützer aus der ganzen Welt und boten Hilfe an. Selbst aus Las Vegas meldeten sich drei Artistinnen, die einst im Chamäleon aufgetreten waren: Sie hatten auf der Straße Geld gesammelt. Abgewendet wurde die Insolvenz schließlich durch Bürgschaften und Gönner, die als stille Gesellschafter Geld in die Kassen der Trägergesellschaft spülten. Laut Schwarzberg seien „weit mehr als 200000 Euro“ durch Unterbeteiligungen zusammen gekommen. Die Rettung kam im letzten Moment: Am 1. August, Stichtag für den Beginn des Insolvenzverfahrens, war endgültig genug Geld beschafft.

Für ein Jahr ist das Programm jetzt wieder geplant. In Zukunft soll stärker am Image gefeilt werden: mit dem verbreiteten Vorurteil, in die Hackeschen Höfe gingen nur Touristen, solle aufgeräumt werden. Optimismus ist jetzt Programm. Eine der letzten Shows vor der Insolvenz hieß „In a broken world“ – „In einer zerbrochenen Welt“. Das neue Programm, es soll am 1. Oktober Premiere feiern, heißt „Vivace“. Zu Deutsch: lebhaft.

Michael Draeke

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