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Schwere Vorwürfe gegen einen Pfleger der Charité

© dapd

Update

Charité-Pfleger unter Verdacht: Missbrauchsfall: Verdächtiger soll schon früher Kinder missbraucht haben

Ein Krankenpfleger soll ein 16-jähriges Mädchen missbraucht haben, das auf der Virchow-Kinderstation der Charité behandelt wurde. Weder die Klinik noch die Eltern zeigten den Fall an. Am Mittwochabend gestand Charité-Chef Einhäupl ein Kommunikationsproblem ein.

Die Charité kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Nach dem Skandal um die Keime an Frühgeborenen wurde am Mittwoch bekannt, dass ein Pfleger der Universitätsklinik eine junge Patientin sexuell missbraucht haben soll. Der Übergriff fand demnach bereits am frühen Mittwochmorgen der vergangenen Woche statt. Die 16-Jährige lag auf der Kinderrettungsstelle des Virchow-Campus in Wedding.

Der beschuldigte Pfleger arbeitet seit fast 40 Jahren an der Charité, seit 2008 ist er auf der Kinderrettungsstelle beschäftigt. Ersten Erkenntnissen der Klinikleitung zufolge soll er schon vor einigen Jahren wiederholt Kinder unsittlich berührt haben. Im aktuellen Fall habe der Mann die Jugendliche, die unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln stand, beim Entkleiden für kurze Zeit im Intimbereich angefasst, sagte Helmut Schiffer, der Vize-Pflegedirektor.

Die Jugendliche sprach nach dem Übergriff mit ihrem Vater, der den behandelnden Arzt aufsuchte. Noch am Mittwoch vergangener Woche sei der Pfleger suspendiert worden, erklärte Charité-Chef Karl Max Einhäupl. Die Patientin und ihre Familie hätten daraufhin entschieden, eine weitere Nacht in der Klinik zu bleiben.

Sie sind Einhäupl zufolge vom Personal auf die Möglichkeit hingewiesen worden, den Fall anzuzeigen – was sie nicht getan haben. Dies hätte allerdings auch die Klinikleitung tun können. Deren Rechtsabteilung habe davon bis zur Klärung der Vorwürfe abgeraten, sagte Einhäupl: „Wir wollten nichts vertuschen, sondern sicher sein, dass wir den Richtigen treffen.“

Die Kinderschutzkoordinatorin der Charité soll am vergangenen Donnerstag unterrichtet worden sein. Die Polizei ermittelt nach Presseberichten nun von Amts wegen, wie es bei schweren Delikten vorgeschrieben ist. Viele Juristen gehen davon, dass die Charité nicht verpflichtet war, den Fall anzuzeigen.

Die Klinikleitung benachrichtigt in den nächsten Tagen die Eltern früherer Patienten, außerdem soll eine Hotline eingerichtet werden. Man habe mit Polizei und Staatsanwaltschaft gesprochen, sagte Einhäupl. Viele Stationsverantwortliche hätten in den vergangenen Jahren gewechselt. Der Charité-Chef wollte noch am Mittwochabend versuchen, das Mädchen und ihre Familie zu besuchen.

Kritisch äußerte sich Einhäupl am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zur Lage innerhalb der Großklinik: „Die Informationspolitik muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.“ Damit meine er auch internen Abläufe, er selbst habe erst an diesem Dienstag von dem Fall erfahren. Personelle Konsequenzen über den Pfleger hinaus würden geprüft.

Unabhängig davon hatte es die Leitung des Großkrankenhauses offenbar versäumt, die Öffentlichkeit zu informieren – auch wenn man sich deshalb an diesem Mittwochabend reuig zeigte. „Wir haben ein Kommunikationsproblem“, gab Einhäupl zu. Das war auch nach dem Keimausbruch auf den Frühchenstationen im Virchow-Campus vor einigen Wochen deutlich geworden. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte die widersprüchliche Informationspolitik der Charité damals scharf kritisiert.

Politisch ist WissenschaftssenatorinSandra Scheeres (SPD) für die landeseigene Klinik zuständig, sie ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der Charité. Dem Tagesspiegel sagte Scheeres: „Jetzt müssen unverzüglich alle Fakten auf den Tisch, und ich will wissen, wer wann etwas gewusst und welche Entscheidung getroffen hat.“ Sie habe von der Klinikleitung eine detaillierte Aufstellung über Abläufe, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten gefordert: „Ich gehe davon aus, dass dann deutliche Konsequenzen gezogen werden müssen, gegebenenfalls auch personelle.“

Ihr sei unerklärlich, warum der Pfleger nach den ersten Verdachtsfällen noch in der Kinderklinik habe arbeiten können und nicht versetzt worden sei. Einhäupl sagte, offiziell habe sich zuvor niemand bei der Pflegedienst- oder Stationsleitung über den Mann beschwert. Es habe womöglich auch „persönliches Versagen“ gegeben. Wie üblich müssen an der Charité alle Bewerber vor ihrer Einstellung ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Vor zwei Jahren hatte ein ähnlicher Fall bundesweit Aufsehen erregt. Ein damals 27 Jahre alter Pfleger bei Helios in Buch hatte den Missbrauch an drei Jungen gestanden, während sie stationär behandelt worden waren. Die Jungen waren sechs, acht und neun Jahre alt und hatten sich teils erst Monate später ihren Eltern offenbart. Der Mann wurde zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt; nach seiner Verhaftung verübte er einen Suizidversuch und ist seitdem gelähmt. Bei der Prävention ist die Charité mit einem renommierten Projekt zur Therapie pädophiler Männer aktiv.

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