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Charité: Start mit roten Zahlen

Der neue Chef der Berliner Charité Karl Max Einhäupl gelobt bei seinem ersten Auftritt "Transparenz". Das Klinikum macht angeblich 10 Millionen Euro Verlust.

Er übernehme eine „enorm schwierige Aufgabe“ – mit diesen Worten stellte sich Karl Max Einhäupl, künftiger Chef der Charité, gestern der Öffentlichkeit vor. Die 14 400 Mitarbeiter von Europas größtem Uniklinikum stimmte der 61-jährige Neurologe darauf ein, dass die ohnehin angespannte finanzielle Situation der Charité sich weiter verschlechtern könnte. Für das Jahr 2008 gehe er von einem Haushaltsrisiko von zehn Millionen Euro aus. Der Vorstand versuche zwar, Verluste so gering wie möglich zu halten. Es sei aber abzusehen, dass „das nicht mehr auf Null gebracht wird“.

Nach Informationen des Tagesspiegels hat die Charité zudem bereits im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben. Der Verlust für 2007 liege bei zehn Millionen Euro, hieß es gestern in Politikerkreisen. Einhäupl sagte, es werde eine „besonders wichtige“ Aufgabe sein, die finanziellen Probleme zu lösen.

Einhäupl wurde gestern als Nachfolger von Noch-Charité-Chef Detlev Ganten vorgestellt. Der 61-jährige Neurologe soll bereits am 1. September Ganten nachfolgen, der noch bis Ende Januar 2009 einen Vertrag hatte. Im September soll dann auch der letzte vakante Posten im dreiköpfigen Vorstand wieder besetzt sein.

Die Klinik sucht auch einen neuen Dekan, den Leiter der Medizinfakultät. Hinter den Kulissen wird die Kinderärztin Annette Grüters als Kandidatin gehandelt. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD), der auch Aufsichtsratschef der Charité ist, gab zudem bekannt, dass der auf ein Jahr befristete Vertrag des für die Finanzen zuständigen Klinikumsdirektors Matthias Scheller verlängert wird.

Zöllner und Ganten lobten Einhäupl als „optimale Besetzung“. Ganten sagte, es sei sein Wunsch gewesen, möglichst früh seine Nachfolge zu regeln. Aus der Charité ist allerdings zu hören, dass Ganten gern im Amt geblieben wäre – bis ins Jahr 2010. Dann feiert die Charité ihren 300. Geburtstag. Ganten soll ihn organisieren.

Doch in der Charité soll es hinter den Kulissen schon seit längerem krachen – vor allem wegen der seit Jahren angespannten finanziellen Lage des Klinikums. Ganten sei zwar ein guter Wissenschaftler, aber kein Klinikmanager, hielten ihm Kritiker vor. Tatsächlich sorgen sich viele Mitarbeiter am meisten um die unklare wirtschaftliche Lage. Eine „schonungslose Offenlegung der finanziellen Situation“ fordert etwa der Pathologie-Chef Manfred Dietel.

Einhäupl gab den Kritikern indirekt recht. In der Vergangenheit sei es nicht immer möglich gewesen, so früh im Jahr auf finanzielle Risiken hinzuweisen. Mit dem neuen Klinikdirektor Scheller sei eine „neue Transparenz“ in die Zahlen gekommen. So würden die Charité-Kliniken auch oft Forschungsmittel für die Krankenversorgung nutzen. Das müsse ein Ende haben.

Fallpauschalen, Tarifsteigerungen, Mehrwertsteuererhöhungen, höhere Energiekosten und ein verringerter Landeszuschuss für Forschung und Lehre – allein in diesem Jahr 13 Millionen weniger – machen die Zukunftsplanung der Charité schwierig. Diese orientiert sich am „Masterplan“ der Klinik, der bis 2015 insgesamt 520 Millionen Euro an baulichen Investitionen vorsieht. Der Senat hat bis 2011 einen Betrag von 300 Millionen eingeplant. Allerdings sind erhebliche Bauinvestitionen nötig, die vom Masterplan nicht abgedeckt werden. Auch die Medizintechnik muss vielerorts erneuert werden. Und schließlich steht ein ganzer Schwung an Neuberufungen bevor. Bis 2015 werden 40 Leitungspositionen frei.

An der Klinik wird deshalb ein „Strukturkonzept 2015" erarbeitet. Es geht darum, an den drei Standorten Wedding, Mitte und Steglitz Schwerpunkte in der Krankenversorgung zu bilden, die mit den wissenschaftlichen übereinstimmen. „Wir müssen Doppelstrukturen abbauen, mit unseren Ressourcen wie Personal, OP-Kapazität oder Klinikflächen sparsamer umgehen und gezielter investieren", heißt es aus der Klinik.

Im Einzelnen ist vorgesehen, am Campus Virchow-Klinikum einen Schwerpunkt im Bereich der Tumor-, Transplantations-, Frauen- und Kindermedizin zu bilden. Am Campus Charité Mitte sollen Neurologie, Immunologie und Infektionskrankheiten im Mittelpunkt stehen. Herzmedizin, Stoffwechselkrankheiten und Orthopädie sollen am Campus Benjamin Franklin Vorrang haben. In teure Medizintechnik soll nur noch an den Schwerpunkt-Zentren investiert werden.

Könnte eine Lösung für die Finanzprobleme eine engere Kooperation mit dem Klinik-Konzern Vivantes sein? Einhäupl zeigte sich gestern dafür offen. Es sei denkbar, den Einkauf oder Labors gemeinsam zu betreiben. Auch bei der von Vivantes vorgeschlagenen Kooperation des Wenckebach- und Auguste-Viktoria-Klinikums mit dem Steglitzer Benjamin-Franklin-Klinikum, das zur Charité gehört, dürfe man „dem Denken keine Grenzen setzen“. Er habe aber kein Interesse daran, dass der Steglitzer Charité-Standort „in Gänze“ zu einer Vivantes-Einrichtung werde.Tilmann Warnecke /

Hartmut Wewetzer

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