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Checkpoint Charlie: Wie Berlins Verwaltung Tempo 30 blockiert

Bei Verkehrsproblemen wie am Checkpoint Charlie scheitert eine Lösung oft an Zuständigkeitsstreitereien der Behörden. Manche sprechen schon von nordkoreanischen Zuständen in der Berliner Verwaltung.

Gefährlich, chaotisch, peinlich für Berlin: Mit solchen Attributen beschreiben Politiker, Verwaltungsleute und Tourismuswerber seit Jahren die Situation am Checkpoint Charlie, wo die Autos theoretisch mit Tempo 50 durch die Menschentrauben fahren dürfen. Abhilfe schien in Sicht, weil die Kreuzung eine „Begegnungszone“ werden sollte – mit mehr Platz für die Fußgänger Tempo 20.

Doch jetzt sind andere Orte für das Modellprojekt „Begegnungszone“ ausgewählt worden – und der Checkpoint Charlie erweist sich als Paradebeispiel für Berliner Verwaltungswirrwarr. Während das Hin und Her zwischen Senat und Bezirk hier vor allem Passanten gefährdet, werden anderswo Steuergeld und Arbeitszeit vergeudet – wie zudem ein weiteres Beispiel zeigt.

Beim Checkpoint Charlie hieß es zunächst aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg könne den betreffenden Abschnitt der Friedrichstraße gern mit Tempo 30 beschildern. Nach der Öffnung der Axel-Springer-Straße sei die Friedrichstraße nördlich der Kochstraße keine Hauptverkehrsstraße mehr – und damit von der Zuständigkeit der zum Senat gehörenden Verkehrslenkung Berlin (VLB) in die des Bezirks übergegangen.

Mitnichten, kontert der Ordnungsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Peter Beckers (SPD). Das Bezirksamt dränge bei der VLB seit Jahren vergeblich auf Veränderungen am Checkpoint Charlie. Man sei froh über jeden Tag ohne schweren Unfall. „Wenn die VLB diesen Bereich dem Bezirk übertragen will, begrüße ich das auch deshalb, weil die VLB bisher nicht durch ein hohes Maß an Kommunikation aufgefallen ist“, sagt Beckers und wird deutlicher: Die Senatsbehörde verweigere Gespräche mit dem Bezirk trotz mehrfacher Nachfragen und habe schon Termine kurzfristig platzen lassen. „Ein ,Nordkorea‘ in der Verwaltung“ nennt Beckers die VLB in Anspielung auf deren schon oft kritisierte Intransparenz.

Tatsächlich ist die VLB auch weiter für den Bereich zuständig, wie die Senatsverwaltung auf nochmalige Nachfrage bestätigt. Man wolle aber mit dem Bezirk sprechen, „ob eine Geschwindigkeitsreduzierung begründbar ist“. Wie mühselig solche Absprachen sein können, zeigt ein E-Mail-Verkehr, der dem Tagesspiegel in einem anderen Fall vorliegt. Dabei geht es um die Erneuerung von Ampeln an der Streitstraße in Spandau. Wochenlang warteten das für die Berliner Ampeln verantwortliche Unternehmen Alliander, Siemens und eine Tiefbaufirma auf die Genehmigung des Bezirksamtes. Das verlangte, die Baupläne zu splitten. Denn für die Gehwege sei der Bezirk zuständig, aber für Radwege, Fahrbahn und Mittelinseln die VLB. Aus Sicht der Firmen irrte sich das Bezirksamt mit dieser Auffassung. Aber das ließ sich nicht erweichen, sondern wiederholte seine Aufforderung in Großbuchstaben und mit drei Ausrufezeichen. Und fügte hinzu: „Auch wenn ein Radweg oder z. B. die Mittelinsel nur gering beeinträchtigt wird, ist die VLB zuständig, was sofort eine Verschiebung der Bauarbeiten ins nächste Jahr bedeutet!“ Alliander reagierte mit dem Hinweis, dass die formale Trennung in Geh- und Radweg schon wegen der durch beide Bereiche verlaufenden Kabel unsinnig sei: Ein paar Meter könnten noch in diesem Jahr verlegt werden, der Rest bliebe mangels Genehmigung über den Winter liegen.

Das resignierte interne Fazit von Alliander: Weil erst nächstes Jahr gebaut werden kann, stehen bis dahin an der Streitstraße fünf Behelfsampeln. Die Mehrkosten für deren Weiterbetrieb will Alliander dem Senat oder Bezirk – je nachdem, wer letztlich zuständig ist – in Rechnung stellen. Ohne den Zoff wären die Arbeiten schon erledigt. Stattdessen wird das sprichwörtliche Berliner Baustellenchaos auch hier um einige Monate verlängert. Wie berichtet, will Verkehrssenator Michael Müller (SPD) im kommenden Jahr ein Programm vorlegen, das Abhilfe gegen Fälle wie diesen schaffen soll. Stefan Jacobs

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