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Die Jury sieht alles. Chearleader-Casting bei Alba Berlin

© Vinzenz Greiner

Cheerleader-Casting bei Alba: "Einem schönen Menschen verzeiht man Fehler"

Beine hoch, Kopf nach hinten: Eine Cheerleaderin muss fit sein – und vor allem hübsch. Ein Besuch beim Casting der Alba Dancers.

Wo normalerweise Basketbälle an Körbe prallen, wummert heute zackige House- Musik. Statt der Hünen von Alba Berlin schwitzen im Trainingszentrum in der Schützenstraße 50 in Mitte etwa 60 junge Frauen. Sie wollen alle ins neue Cheerleader-Team – ins derzeit zweitbeste der Basketball-Europaliga. In Deutschland gibt es keine größere Plattform: Während der Alba-Spiele in der O2-World müssen die Frauen die bis zu 14 500 Fans bei Laune halten – für eine Aufwandsentschädigung. Etwa 30 künftige Cheerleader sollen heute ausgewählt werden.

„Mit Leib und Seele für Berlin“ steht auf den blau-gelben Aufstellbannern. Sie stecken die Tanzfläche ab, auf der die über 18-Jährigen in mehreren Reihen hintereinander die Aufwärmübungen der Vortänzerin nachmachen. „Beine nach hinten!“, ruft sie. Dann der Hampelmann. Ein paar Bewerberinnen hecheln schon jetzt dem Takt hinterher. Auf den Boden – Spagat. Verzweifelte Blicke. Die ersten Oberteile bekommen dunkle Flecken.

Cheerleader mit Tattoo? Geht nicht!

Eine Enddreißigerin mit blonden Locken schreitet im Takt wippend an den Frauen entlang. Macht sich Notizen wie eine Ärztin von Patienten. Auf dem Papier stehen einige Nummern. Die „No-Gos“, wie sie Valeska Stix nennt – die absolut Ungeeigneten. Die Choreografin und Trainerin der Cheerleader von Alba Berlin begutachtet Körper, Gesicht, Ausstrahlung und Bewegung. Sie sehe, ob eine „Biss“ habe, oder auch ob sie mit ein paar Kilos weniger und einer neuen Haarfarbe gut aussehen könnte. Tätowierungen zum Beispiel, sagt sie und zeigt auf eine junge Frau mit Totenkopf auf der Brust und Blumen von Schulter bis Unterarm, gingen nicht. Im Zweifel überwiegt das Aussehen. „Einem hübschen Menschen verzeiht man eher einen Fehler“, sagt Stix.

Am Boden bleiben. Beim Cheerdance gibt es keine Pyramiden oder Hebefiguren. Dafür „mehr weibliche Präsentation“, sagt die Trainerin.
Am Boden bleiben. Beim Cheerdance gibt es keine Pyramiden oder Hebefiguren. Dafür „mehr weibliche Präsentation“, sagt die Trainerin.

© Vinzenz Greiner

Am Rande der Tanzfläche überprüfen ein paar Frauen ihr Make-up im Smartphone. Andere kämmen ihr langes Haar, scannen einander mit Blicken. Das, was die „Alba Dancers“ machten, sei „offener und dekorativer“ als andere Tanzarten, sagt Gina, Nummer 11, die spontan mit ihrer Freundin Svenja, Nummer 10, zum Casting gekommen ist. Die beiden 22-Jährigen kennen sich noch aus der gemeinsamen Zeit bei den Albambinis, dem Nachwuchsteam.

Cheerdance heißt der Sport in der Fachsprache, da es im Gegensatz zum normalen Cheerleading keine Pyramiden, Salti und andere Akrobatik gibt. Dafür umso mehr Tanz und „weibliche Präsentation“, wie es Valeska Stix nennt.

40 bis 50 Choreographien pro Saison

Sie tanzt den Frauen ihre eigens entworfene Choreografie vor. Eine halbe Stunde haben die Bewerberinnen Zeit, sich die Schrittabfolgen, Hüft- und Armbewegungen einzuprägen. „Das ist wie im Alltag auch, schließlich müssen die Cheerleaders pro Saison 40 bis 50 Choreos lernen“, sagt Stix. Dafür trainieren die Alba Dancers zwei Mal wöchentlich drei Stunden lang.

Eine Bewerberin hat schon aufgesteckt und bleibt am Platz sitzen. Für die anderen geht es los: „Eins und zwei und Step und Turn“, ruft Stix, während sie ein Schrittchen macht und sich dann schwungvoll dreht. „Und Schwin-del-an-fall.“ Die auf dem Boden knienden Bewerberinnen drehen ihre Köpfe vier Mal im Kreis. Weiter. Tanja Straub, Vizepräsidentin des deutschen Cheerleader-Verbandes, und zwei Alba-Männer am Jurytisch wollen jede Tänzerin ein Mal aus der Nähe sehen. Ginas Kopf ist rot, die Haare hat sie nach oben gebunden, das Schild mit der Nummer hängt nur noch lose an ihr.

Es wird ernst. In Vierergruppen müssen die Bewerberinnen zwei Mal die Choreografie vortanzen. Svenja und Gina üben weiter, neben ihnen kühlt eine Teilnehmerin ihren Knöchel. Nummer 16 schüttelt ihre Mähne, dass der Haargummi durch die Halle fliegt. Nummer 55 wird aufgerufen, kommt aber nicht. Nun ist Gina dran. „Ich hab die ganze Zeit so einen blöden Krampf im Zeh“, sagt sie außer Atem. Richtig zufrieden ist sie nicht.

"Es ist ein Optik-Sport"

Valeska Stix und die anderen notieren Optik, Figur, Tanz und Ausdruck, plus, plus, minus. In der Kommentarspalte daneben steht: „Ballett-Unterricht gehabt?“, „Tanzt lachsig“, „Gibt alles“ oder einfach „Die nicht!“. Sie beraten sich.

Schließlich nimmt Stix das Mikro in die Hand und verliest die Nummern, die nun für zwei Wochen auf Probe mitmachen dürfen. Svenja und Gina sind nicht dabei. „Dann eben nächstes Jahr“, sagt Gina. Stix habe ihr gesagt, dass sie etwas abnehmen müsse. Die Trainerin sagt: „Es ist eben ein Optik-Sport.“

Vinzenz Greiner

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