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Berlin: Christdemokratin auf der Kanzel

Rita Süssmuth predigte in der Luisenkirche über Zuwanderung

SONNTAGS UM ZEHN

Rita Süssmuth zögerte kurz, schließlich sei sie in einer Kirche, der Luisenkirche in Charlottenburg. Dann sagte sie es doch. Es ging um den politischen Streit über das Höchstalter von Kindern, die ihren Eltern nach Deutschland folgen: „An einem gewissen Punkt bin ich polemisch geworden. Da habe ich Leute gefragt, ob sie Kinder nur noch im Mutterleib ins Land lassen wollen.“ Die Zuwanderungsexpertin und Christdemokratin Süssmuth sprach in der Luisenkirche über „Zuwanderung aus christlicher Sicht“. Sie mahnte, warb für Verständnis und vertrat nicht immer die Meinung der Mehrheit – und ihrer Partei.

Rita Süssmuth sprach aber erst einmal weniger über Politik. Jeder könne etwas für Integration tun, indem er ausländische Nachbarn im Treppenhaus grüße, bei Behördengängen begleite, bei den Hausaufgaben der Kinder helfe. Auch wenn die Misserfolge sie manchmal verzweifeln ließen, machte sie Mut: „Wir können noch mehr bewegen.“ Wie manche Kommunen, die es geschafft hätten, den Anteil der Ausländerkinder ohne Schulabschluss deutlich zu drücken.

Rund 60 Kirchenbesucher blieben nach dem Gottesdienst, um Rita Süssmuth bei einer Tasse Kaffee in kleinerer Runde zu erleben. Pfarrer Bernd-Jürgen Hamann präsentierte nicht ohne Stolz einige ausländische Gemeindemitglieder, darunter ein Türke: „In drei Wochen werde ich ihn taufen.“

Die meisten Muslime würden Kontakte aber ablehnen, gab eine Frau aus der Gemeinde zu bedenken. Und dass in manchen Häusern in Kreuzberg fast keine Deutschen mehr lebten. „Dass Fremde sich zuerst an ihrer Gruppe orientieren, ist überall so“, erwiderte die Politikerin. Das werde verstärkt, wenn Leute sich abgelehnt fühlten. Es gebe auf beiden Seiten Menschen, die Konflikte schüren anstatt aufeinander zuzugehen. Viele, die den Islam kritisierten, wüssten über die eigene Religion nicht Bescheid: „Als ich ein Kind war, gab es nichts Schlimmeres, als wenn ein Katholik und eine Protestantin heiraten.“ So etwas werde leicht übersehen.

Auf die Kopftuch-Debatte angesprochen, lehnte Rita Süssmuth einen Kommentar zwar ab. Erzählte dann aber von einer zufälligen Begegnung mit zwei Berliner Türkinnen mit Kopftuch. Wenn sie es nicht tragen würden, erzählten ihr die beiden, fühlten sie sich, als wären sie oben ohne. „Ein Verbot werden die Fanatiker nutzen“, schloss sie. Erst Ende November hatte Süssmuth sich an der Seite ihrer Parteigenossin Barbara John für Kopftuchträgerinnen stark gemacht.

Weitere Gastvorträge in der Luisenkirche werden folgen. Ein Raunen ging durch die Bänke, als Pfarrer Hamann den nächsten Redner ankündigte: Franz Müntefering. Für den angestrebten Termin sehe es allerdings schlecht aus: „Da ist jetzt der SPD-Sonderparteitag.“

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