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Beruf: Liberaler. Christoph Meyer hat Bankkaufmann gelernt und Jura studiert, doch die Politik war ihm wichtiger als eine Anwaltskanzlei. Der 35-Jährige ist in Berlin geboren. Seit 2009 ist Meyer Fraktions-, seit 2010 auch Landeschef der Berliner FDP.

© Mike Wolff

Christoph Meyer im Interview: „Wir werden vom Neustart profitieren“

Der designierte FDP-Spitzenkandidat Christoph Meyer äußert sich im Tagesspiegel-Interview zur Krise der Liberalen und zu den Chancen der Partei bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im September in Berlin.

Herr Meyer, wissen Sie noch, wie Ihr Parteifreund Martin Lindner bei einem FDP-Parteitag vor drei Jahren einen Konkurrenten von der CDU genannt hat?
Einen Bezirkspygmäen?

Politpygmäen. Fehlt der Lautsprecher Martin Lindner, damit man die FDP in der Berliner Landespolitik heraushört?
Wir müssen mit unseren Kernthemen und Kompetenzen – auch wegen der Situation im Bund – glaubwürdig herüberkommen. Das hat Martin Lindner auf seine Art gemacht. Das machen wir jetzt auf eine sicher etwas ruhigere und sachlichere Art. Wenn man sich die Situation in der Stadt so anguckt, ist eine liberale Partei umso wichtiger.

Die Liberalen sind derzeit so friedfertig, dass manche Beobachter sie für klinisch tot halten. Interessieren sich die Leute nicht für Ihre Ideen?
Es ist seit anderthalb Jahren ein Teil unseres Problems, dass es schwer ist, Bürger für liberale Politik zu interessieren. Das liegt daran, dass wir in der Bundespolitik nicht liefern, was wir versprochen haben. Daran müssen wir in der Bundesregierung arbeiten. Dann werden wir im Wahlkampf auch stärker durchdringen.

Warum muss die FDP am Leben bleiben?
Berlin ist das Paradebeispiel dafür, dass es eine liberale Kraft braucht. Wir haben eine Staatsquote von fast 60 Prozent. Wir haben bundesweit die höchste Arbeitslosigkeit, die höchste Armutsquote, die stärksten Probleme mit bildungsfernen jungen Leuten. Das ist das Ergebnis sozialdemokratischer und sozialistischer Politik – wobei manche Fehler davor schon von der großen Koalition gemacht worden sind. Wir sind die einzige Partei, die nicht verspricht, dass der Staat alle Lebensrisiken übernimmt, weil wir glauben, dass der Einzelne am besten für sich selbst entscheiden kann. Wir wollen einen Staat, der Rahmenbedingungen setzt und das Notwendige leistet. Das will in Berlin nur die FDP.

Sie kritisieren in Ihrem Programm, in Berlin werde zu viel reguliert. Haben Sie ein paar Beispiele?
Die vier anderen Parteien kommen stets mit Verboten und Regelungen. Wir sagen: Veränderung gestalten statt Verbote verwalten, mehr Vertrauen in die Fähigkeiten des Einzelnen sind gut für die wirtschaftliche Entwicklung. Beispiele gibt es ohne Ende, von der Umweltzone, die nichts bringt, bis zu Heizpilzverboten. Das Berliner Vergabegesetz zwingt Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, erst mal 200 Fragen zu beantworten. Zu lange Genehmigungsverfahren, Doppelzuständigkeiten zwischen Bezirk und Land – all das schränkt die wirtschaftliche Prosperität und den Erfolg des Einzelnen ein.

Was würden Sie anders machen?
Die Genehmigungsverfahren sind ein gutes Beispiel. Wir wollen Anzeigeverfahren mit einem Genehmigungsvorbehalt der öffentlichen Hand. Wir drehen das Verhältnis zwischen Bürger oder Unternehmer und Staat um. Bei uns ist der Unternehmer kein Bittsteller – der Staat als kundenorientierter Dienstleister muss antworten und reagieren.

Sie sagen, dass in jedem Jahr 400 Millionen Euro ohne wesentliche Einbußen in der Qualität der Leistungen für die Bürger eingespart werden könnten. Wo vor allem?
Fangen wir mit der rot-rot-grünen Klientelpolitik an. Für den öffentlichen Beschäftigungssektor wird ein dreistelliger Millionenbetrag jährlich verschleudert, um 5000 Erwerbslose zu beschäftigen. Das ist zutiefst unsozial, denn von 240 000 Arbeitslosen werden 5000 privilegiert. Nach drei Jahren hat offenbar auch die SPD verstanden, dass das Geld verschwendet ist – sie will jetzt auch eine Evaluierung des öffentlichen Beschäftigungssektors. Oder die Gemeinschaftsschule: Mit 22 Millionen Euro werden bestimmte Schulen bevorzugt gegenüber anderen Schulformen – einschließlich dem Gymnasium. Bei den freiwilligen Berliner Transferleistungen gibt es einen Wildwuchs ohne jede Prüfung des Erfolgs, ob es tatsächlich gelingt, den Menschen in sozialer Not konkret zu helfen. Zu alldem sagen wir: Was nicht evaluiert ist, wird gestrichen. Das gilt auch für alle Arbeitsmarktprogramme, auch für die Kultur.

Die Partei mit dem Hype sind die Grünen. Was treibt den grünen Höhenflug?
Die Grünen sind eine Projektionsfläche und schaffen es, ein Lebensgefühl darzustellen und gleichzeitig mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Und sie sind nicht in der Lage, die Lücke zwischen Lebensgefühl und ihren inhaltlichen Zielen glaubwürdig zu schließen. Ein Beispiel: Die Grünen denken daran, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Da muss sich jeder Freiberufler fragen, ob die Grünen die Richtigen für ihn sind. Oder die Verkehrsinfrastruktur: Wer eine wachsende Stadt will, braucht zum Beispiel BBI. Frau Künast hat erfrischend ehrlich gesagt, sie wolle nur einen Regionalflughafen. Darauf liefe es hinaus, wenn von 22 bis 6 Uhr ein Nachtflugverbot gilt. Die Grünen reden von eigenverantwortlichen Schulen, fordern die Verbeamtung von Lehrern und stellen die Existenz der Gymnasien infrage: noch so ein Punkt, an dem die grünen Ziele nicht stimmig sind. Das wird aber durch einen Wohlfühlfaktor überdeckt.

In der Bundes-FDP gab es Turbulenzen. Was erwarten Sie jetzt von Ihren Parteifreunden?
Wir müssen das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen. Wir müssen in der Bundesregierung jetzt umsetzen, was wir in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben. Das ist uns nicht gelungen, deswegen sind wir in einer Vertrauenskrise. Der Bundesparteitag im Mai wird uns einen Neustart möglich machen. Davon werden wir auch hier in Berlin profitieren.

Die Fragen stellte Werner van Bebber.

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