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Der niederländische Botschafter Marnix Krop (mit Hut) feiert gemeinsam mit fünf homosexuellen Angehörigen der niederländischen Streitkräfte. Für Mees Soffers (zweite von links) war es eine Premiere: die erste offen als Transgender lebende Soldatin auf dem Berliner Christopher-Street-Day.

© DAVIDS

Christopher Street Day 2013 in Berlin: Die große Freiheit von Soldatin Soffers

Zehntausende feierten den Christopher Street Day, der mit 50 Paradewagen durch die Stadt zog. Für eine Frau wurde er zur Premiere: Soldatin Mees Soffers – vor drei Jahren noch ein Soldat.

Als der Soldat Mees Soffers vor drei Jahren den Kameraden in der niederländischen Kaserne sagt, dass er sich zur Frau umoperieren lassen will, drohen zwei Soldaten damit, ihn umzubringen. Eine ernst zu nehmende Drohung. Soffers verständigt die Militärpolizei, ist ab sofort unter deren Schutz und beginnt mit der Geschlechtsumwandlung im Alter von 39 Jahren. Drei Jahre später steht sie auf dem CSD-Truck der niederländischen Botschaft, in Uniform, mit grüner Jacke und grünem Barett: Exotin auf einer Parade, an der an Exoten kein Mangel herrscht. Als die wohl erste offen als Transgender lebende Soldatin auf dem Berliner Christopher-Street-Day.

Soffers hat ein Kreuz wie ein Möbelpacker. Wenn die Ärmel ihrer Uniform beim Jubeln und Winken etwas nach unten rutschen, sieht man die Ansätze üppiger Arm-Tatoos, die gestochenen Verzierungen der Beine sind unter der Netzstrumpfhose leichter zu erkennen. Wenn man sie so sieht, die Orden für drei Auslandseinsätze in Bosnien auf ihrer Brust, „wir waren halt da, was ich dort gemacht habe, ist nicht von Interesse“, dann stellt sich schon die Frage, wer sie eigentlich glaubhaft bedrohen soll. Aber die Ausgrenzung von Homosexuellen ist wohl auch in der niederländischen Armee kein Einzelfall. Allerdings gibt es dort eine Interessensorganisation für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, und deshalb stehen gemeinsam mit Soffers vier weitere schwule Soldaten aus den Niederlanden auf dem Truck Nummer 19 und winken ins Publikum.

Etwa 50 Wagen und mehrere zehntausend Zuschauer, die Route beginnt am Kurfürstendamm und endet in den Abendstunden am Brandenburger Tor. Es ist irgendwann in der späten Mittagszeit, als sich der Truck in Bewegung setzt, vorne die fünf Uniformierten, dahinter ein tobender Pulk holländischer Botschaftsangestellter. Und während der hintere Teil des Trucks in rasanter Geschwindigkeit betrunken wird, halten die Soldaten eisern Disziplin, Wasser und Brezeln, gerne auch gebracht vom holländischen Botschafter Marnix Krop, einem freundlichen älteren Herren mit einem großen, orangenen Hut, darauf eine Silber-Plastikkrone. In des Botschafters Hosenbund klemmt eine dieser übergroßen Scheren, mit denen Politiker und sonstige Würdenträger bei Anlässen wie diesen Eröffnungsbänder durchschneiden müssen. Auch hier, gemeinsam mit Diplomaten sechs weiterer Länder, legte Krop Hand an. Die Parade war eröffnet.

Dass die Niederlande weltweit für Akzeptanz stehen, ist der Aufdruck der T-Shirts, die hier auf dem Truck getragen werden. Eine – gemessen am vorherigen Jahr – fast schon entschiedene Aussage, denn letztes Jahr hätte man das „weltweit“ nicht hingeschrieben, sagt der Mann von der Pressestelle, aber die jüngsten Diskriminierungen Homosexueller in Russland würden Statements erfordern. Das scheinen auch andere Teilnehmer der Parade so zu sehen, die mit Plakaten eines grell geschminkten Wladimir Putin gegen den russischen Präsidenten demonstrieren.

Auf elf Prozent schätzt Amin Michel, Sprecher der niederländischen Interessensorganisation, den Anteil an Schwulen und Lesben in der niederländischen Armee, das entspräche auch dem Anteil an Homosexuellen in der Gesamtbevölkerung, sagt er. Bezogen auf die Streitkräfte bedeute das, dass etwa 6600 niederländische Soldaten schwul oder lesbisch seien, Mitglieder habe die Organisation jedoch nur rund 150. Gemessen an diesen Zahlen gebe es also auch in den Niederlanden noch einiges zu tun, sagt Michel. Aber – natürlich: Immerhin gibt es eine solche Interessensorganisation, und das schon seit 26 Jahren.

Und so fahren sie dahin, kurz hinter dem Kadewe hat die CSD-Jury ein Podest aufgebaut, um die Wagen zu bewerten. Was genau der siegreiche Wagen am Ende bekommt, interessiert auf dem niederländischen Truck niemanden. Hand an die Mütze grüßen die schwulen Soldaten die Jury, die dafür angemessen aus dem Häuschen zurückwinkt, Daumen hoch. Überhaupt: Es ist eine ganz besondere Freundlichkeit in der Stadt, schon morgens zu beobachten beim Security-Mann am Brandenburger Tor, der zwischen Caipirinha-Ständen und Bierbikes vorbeirasenden Radfahrern mit einem etwas zu eleganten Hüftschwung ausweicht, ein spitzlippiges „Huch“ flötend, vielleicht Ironie, vielleicht aber auch einer der wenigen Tage, an dem einige schwule Sicherheitsmänner voll durchziehen können. Irgendwann am Abend dürfte auch der niederländische Truck das Brandenburger Tor erreichen.

Morgen geht es zurück in die Niederlande sagt Soffers. Seit einem Jahr nimmt sie Hormone, in einem halben Jahr soll es mit den Operationen losgehen, sagt sie und greift sich an die Brust, dahin, wo die Bosnien-Orden hängen.

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