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Christopher Street Day: Blut in Strömen und Luxus made in GDR

Sechs Männer in weißem Leder mit Riesenstrohhalmen vor einem Sektkelch, in dem ein blonder Vamp Platz genommen hat. Das Motiv auf der Postkarte zur "White Party" verspricht vor allem eins: Schwulen Glamour zwischen Queens und Village People.

Sechs Männer in weißem Leder mit Riesenstrohhalmen vor einem Sektkelch, in dem ein blonder Vamp Platz genommen hat. Das Motiv auf der Postkarte zur "White Party" verspricht vor allem eins: Schwulen Glamour zwischen Queens und Village People. Auch der Partyort passt zum Image. Von der Welt der Glam-Rock-Stars war das "International" zwar durch die Mauer getrennt, aber dafür galt das Kino an der Karl-Marx-Allee zu DDR-Zeiten als das wichtigste Premieren-Haus. Entsprechend luxuriös fiel die Inneneinrichtung aus. Von der Foyer-Decke im ersten Stock hängt meterweise Kristall. Die niedrigen Sofamöbel im sachlichen 60er Jahre Stil gehören zur Originalausstattung, genauso wie die riesigen Fensterscheiben vom Boden bis zur Decke.

"Der ideale Partyort", dachte sich Christian Winter, als er den Raum zum ersten Mal sah. Der Wahl-Berliner hat schon vieles gemacht: Kaufmannslehre, Germanistik-Studium, Jobs in der Filmbranche vom Ausstatter bis zum Produktionsassistenten. Zur Zeit versucht er sich als Antiquitäten-Händler, Spezialgebiet: Möbel aus China, aber seine große Leidenschaft gehört dem Film. Der hat er seinen aktuellen Job als Partyveranstalter zu verdanken: Die erste Fete im "International" organisierte Winter nach der Premiere von "Studio 54". Der Spielfilm über den legendären New Yorker Club brachte Christian auf die Idee zur eigenen Partyreihe.

Zum ersten "Klub International" kamen Freunde und zwei Dutzend zahlende Gäste, aber der Newcomer machte weiter und mittlerweile hat sich der "Klub International" in der schwul-lesbischen Partylandschaft etabliert: Im Erdgeschoss läuft House, oben im Foyer kann man flanieren und wenn alles klappt legt Biggy van Blond in der ehemaligen Honecker-Lounge Retro auf ... "Studio 54" ist es zwar nicht geworden, aber ein netter Ort um die Nacht durchzufeiern. Ein Handicap hat sich nämlich mittlerweile als Vorteil herausgestellt: Weil der Club seine Pforten erst nach dem letzten Spätfilm öffnen kann, fällt die lange Aufwärmphase flach. Die Leute tanzen sofort.

Am Ende ihrer Playback-Nummer zur Musik von den Toten Hosen steht Super Zandy wie ein böser Tim Curry aus der Rocky Horror Picture Show auf der Bühne und schneidet sich die Pulsadern auf. Der Dolch ist aus Plastik. Das Theaterblut läuft trotzdem in Strömen und das Publikum ist begeistert. Die Show ist der Höhepunkt der Party, die Berlins einzige Punkrock-Dragqueen einmal im Monat in der Pfefferbank feiert. Spätestens ab eins stehen die Leute Schlange. Dann lässt die Türsteherin nur noch gute Freunde an ihrem Atombusen vorbei. Schauspieler Matthias Freihof und TV-Moderatorin Mo Asumang freuen sich wie alle, dass sie mitfeiern können.

Was ist das Geheimnis einer guten Party? "Vor allem, Disco-Sünden zu vermeiden", sagt Super Zandy. Die begeht, laut Zandy, vor allem die Konkurrenz: Unfreundliches Türpersonal, schlechte Musikanlage, beliebige Shows und 08 / 15-Gogos. Super Zandy kommt den ganzen Abend über ohne halbnackte Vortänzer aus. Als DJ ist sie in der Szene begehrt und ihre Shows sind alles andere als schmückendes Beiwerk, sondern immer hart an der Grenze zwischen Nervenzusammenbruch und Geschmacklosigkeit.

Und wer ist Super Zandy, wenn er nicht gerade auf der Bühne steht? Kein Kommentar, denn Super Zandy ist eine Comic-Figur. Ihr Autor will im Hintergrund bleiben. Daniel ist im bürgerlichen Leben Fotograf. Und er hat Super Zandy erfunden, weil es ihm angeblich zu peinlich ist, sich als Mann zurecht zu machen. "Du würdest mich nie erkennen", sagt Daniel ein paar Tage nach der Party in der Pfefferbank am Telefon.

Vielleicht ist es ganz gut so. Die Kunstfigur Zandy auf der Bühne garantiert für allmonatliche Partyhysterie. Im Alltag wäre sie unerträglich.

Sebastian Schneller

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