zum Hauptinhalt
Abend der Helden. Michail Gorbatschow stand am Samstagabend im Mittelpunkt des „Heroes Dinner“ von „Cinema for Peace“.

© ZB

Cinema for Peace in Berlin: Darauf einen Gorbatschow

Cinema for Peace ehrte die Helden des Umbruchs mit einem Dinner im Adlon in Berlin. Zu- und Absagen wechselten bis zur letzten Minute. Am Ende wurde es ein harmonischer Abend für Menschen, die es schafften, die Welt zum Besseren zu wenden.

Wenn Michail Gorbatschow an diesem Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft, dann mag wieder die Stunde der realen Politik schlagen – mit allen Mühen, Krisen, Abgründen. „Cinema for Peace“ hat sich über die Jahre darauf spezialisiert, bei Galas Showbusiness mit Menschenrechten, Pathos mit Politik und einer Prise künstlerischem Chaos zu mischen. Großes Geld trifft große Gefühle.

Es gab einen Moment beim „Heroes Dinner“ im Hotel Adlon, zu dem die Organisation am Vorabend des Mauerfalljubiläums eingeladen hatte, der offenbarte, dass dieses Konzept tatsächlich eine Lücke füllt. Der Abend war schon fast zu Ende, Rindercarpaccio, Kalbsfilet und Schokoladentarte waren verputzt, die meisten Preise verteilt, da tat Klaus Meine etwas, was er öfter tut. Er sang „Wind of Change“, diesmal verstärkt durch einen Berliner Mädchenchor, und er widmete das Lied dem anwesenden wichtigsten Helden des Abends und seiner verstorbenen Frau Raissa.

Gorbatschow lauschte im Stehen und etwas in seinem Gesicht verriet, das im Grunde nichts ausreicht, um einen Menschen zu ehren, der den Mut hatte, die Welt so gravierend zu verändern. Oder dass umgekehrt etwas so Kleines wie ein Lied reicht, um der Ehrung einen Augenblick lang den genau richtigen Ausdruck zu verleihen, denn in jedem Helden steckt ja auch ein Mensch.

Michail Gorbatschow und Jan-Josef Liefers bei der Gala Cinema for Peace in Berlin.
Michail Gorbatschow und Jan-Josef Liefers bei der Gala Cinema for Peace in Berlin.

© ZB

Helmut Kohl wurde in Abwesenheit als „Kanzler der Einheit“ geehrt. Ohnehin ging es mit den Zu- und Absagen ein bisschen drunter und drüber. Ursprünglich hatte der bei Dreharbeiten in Kanada festgehaltene Leonardo DiCaprio die Laudatio halten sollen, notfalls auch per Video, denn vor fünf Jahren hatte Gorbatschow ihn gelobt.

Im letzten Moment sprang Adrien Brody ein, der sympathischerweise gleich zugab, dass er eher zufällig da war, noch übrig geblieben von einer Preisverleihung am Donnerstag. Er habe den Menschen durch seine Politik Vertrauen und Zuversicht gegeben, sagte Brody dem Friedensnobelpreisträger. „Sie haben die Welt verändert, und die Welt wird nie vergessen, was Sie getan haben.“ In seinem Alter, antwortete der 83-Jährige, brauche man einen Moment, um die Gefühle in den Griff zu bekommen. Dann erzählte er von seiner ersten Begegnung mit Deutschland. Der Großvater hatte den damals Sechsjährigen mitgenommen in ein Dorf, in dem er zum ersten Mal deutsche Kekse probieren durfte. „So habe ich Deutschland kennengelernt. Danach kam der Krieg, aber die schöne Erinnerung überlebte offensichtlich.“

Süßwaren-Unternehmer Hermann Bühlbecker muss diese Geschichte schon gekannt haben, denn er hatte vorab veranlasst, dass die Gäste zum Abschied eine Keksdose in die Hand gedrückt bekamen, Sonderedition zum Mauerfalljubiläum. Es war dann auch noch die Rede von gemeinsamer Verantwortung und einem drohenden neuen Kalten Krieg, aber das führte schon wieder zur aktuellen Politik.

Auch Hans-Dietrich Genscher, der nach einem Brustwirbelbruch operiert worden war, sowie Uma Thurman fehlten, dafür hatte Gorbatschow zwei Enkelinnen dabei, und Katja Riemann und Jan Josef Liefers zeigten, dass sie auch schön loben können. Eindrucksvoll in ihren Geschichten, aber nicht unbedingt redselig waren die „stillen Helden“, Stanislaw Petrow, Maueröffner Harald Jäger und der ungarische Grenzöffner Arpad Bella. Petrow hatte 1983 den Dritten Weltkrieg verhindert, als ein Fehlalarm US-Raketen im Anflug auf die Sowjetunion ankündigte und er nach den Gesetzen des Kalten Krieges einen nuklearen Gegenschlag gegen die USA hätte starten müssen. „Ich bin kein Held“, sagte er. „Ich war da im richtigen Moment.“ Der frühere ungarische Ministerpräsident Miklos Nemeth erinnerte an die Rolle des Papstes Johannes Paul II., der bei seiner Amtseinführung 1978 den Menschen hinter dem Eisernen Vorhang zugerufen hatte: „Fürchtet euch nicht.“

Am Ende brachen sogar die Klischees von den armen Berlinern ein. Bei der Auktion brachte ein Gorbi-Trabi 25 000 Euro ein. Und als ganz zum Schluss jeder, der 1000 Euro an Gorbatschows Stiftung spendete, auf die Bühne kommen durfte, wurde es dort so voll wie damals auf der Mauer – unmittelbar bevor sie umfiel.

Zur Startseite