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Teilnehmer des Friedensmarsch stehen nach ihrer Ankunft vor der Frauenkirche in Dresden. Mittlerweile sind die Läufer in Tschechien.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild

Civil March von Berlin nach Aleppo: "Ein bisschen Angst" in Heidenau

Auf dem Weg nach Aleppo: Es ging durch Heidenau, nun sind die Läufer in Tschechien: Der Friedensmarsch für Aleppo kommt voran.

Es hatte einen bitteren Beigeschmack, als die rund 200 Teilnehmer des Civil March am vergangenen Sonnabend auf das Ortsschild "Heidenau" zusteuerten, auf den Ort, der im Sommer 2015 durch einen randalierenden, rechten Mob bekannt wurde. Komisch war ihnen zumute und auch ein bisschen mulmig. Es hatte Drohungen aus dem Ort gegen den Friedensmarsch gegeben, über soziale Medien hatten Menschen dazu aufgerufen, den Weg der Aktivisten in einen Spießrutenlauf zu verwandeln. Leere Drohungen, wie sich herausstellte. Stattdessen begrüßte ein Dutzend Heidenauer samt Bürgermeister die Aleppo-Läufer und zeigte: Sachsen ist gar nicht so schlimm.

"Wir hatten wirklich großen Respekt und auch ein bisschen Angst, aber am Ende haben uns die Menschen zugelächelt und gewunken, wie in jeder anderen Stadt auch", erzählt Anna Alboth, Organisatorin des Civil March, der vor zwei Wochen in Berlin gestartet ist. In einer Art "Staffellauf der Solidarität" wollen die Aktivisten mehr als 3000 Kilometer hinter sich bringen, wollen zu Fuß bis nach Aleppo laufen und dadurch Solidarität für die Zivilbevölkerung in Syrien wecken.

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Erst Berlin, dann Heidenau, zwischendurch andere kleine Orte und eine große Stadt. In Dresden machten die Aktivisten in der vergangenen Woche ihren bisher größten Halt, blieben zwei Nächte statt wie gewöhnlich nur einer. "Wir brauchten alle mal einen Ruhetag, haben das aber auch für Aktionen genutzt", sagt Sebastian Olényi, Pressesprecher des Civil March. Einen Abend wurde gekocht und diskutiert, einen anderen Musik gemacht und demonstriert. Rund 200 Menschen versammelten sich bei Minustemperaturen in der sächsischen Landeshauptstadt auf dem Neumarkt, um ein Zeichen zu setzen: für den Frieden und gegen den Krieg in Syrien. Dazu Musik von der Band Banda Internationale, die sich mit ihren Auftritten gegen Pegida einen Namen gemacht hat.

Nach genau zwei Wochen haben die Aleppo-Läufer nun Deutschland verlassen, sind am Montag vom sächsischen Bad Gottleuba-Berggießhübel weiter nach Libouchec in Tschechien. Das sei zwar nicht die genaue "Flüchtlingsroute", die der Civil March eigentlich zurücklegen wolle, aber man habe ein paar Abstriche machen müssen, erklärt Alboth. "Über München und die Berge hätte es viel länger gedauert", sagt sie. In Österreich werde man dann allerdings wieder auf die "richtige Route" zurückkehren.

Insgesamt haben sich den Organisatoren zufolge bisher knapp 1200 Menschen am Marsch beteiligt, derzeit sind rund 60 Aktivisten unterwegs. Einige Syrer, die den Marsch bisher begleitet hatten, mussten an der Grenze zurückbleiben, da ihre Aufenthaltserlaubnis nur für Deutschland gilt. "Sie waren sehr, sehr traurig. Aber es ist besser für ihre Sicherheit", sagt Alboth. "Sie haben nicht wie wir das Privileg, weiter zu können." An der Grenze, erzählt sie, seien alle Teilnehmer des Marsches von der Polizei kontrolliert worden.

"Ihr solltet euch alle schämen, dass ihr euch nicht dafür interessiert."

Wie bisher in Deutschland gibt es auch in Tschechien ein lokales Unterstützerteam, das sich um Unterkünfte und Aktionen in den einzelnen Streckenabschnitten des Friedensmarsches kümmert. Schlafmöglichkeiten für die kommenden Nächte seien bereits organisiert. Dazu kämen immer wieder Abende, an denen die sogenannte "March Academy" veranstaltet werde, sagt Anna Alboth.

Bei Filmvorführungen und in Gesprächen mit Geflüchteten, Aktivisten und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen sollen sich die Teilnehmer des Marsches immer wieder über Syrien informieren und zu Diskussionen angeregt werden. "Es gibt hier bei uns sehr viele unterschiedliche Standpunkte", so Alboth. "Und das ist auch gut so."

Eine der ersten Marsch-Akademien fand bereits vergangene Woche in Heidenau statt. Ein Film über Syrien mit dem Titel "Ein schwarzes Loch" von Hubertus Koch wurde hier gezeigt und ein Syrer berichtete von seinen Fluchterfahrungen. "Nach dem Abend hatten wir im Kopf die Bilder von den Geschichten des Geflüchteten und den letzten Satz des Films", erzählt Alboth: "Ihr solltet euch alle schämen, dass ihr euch nicht dafür interessiert." Das sei irgendwie bewegend gewesen, sagt sie, weil es ja genau der Grund sei, weshalb sie alle unterwegs seien. Die Aktivisten wollen sich interessieren.

Alboth erinnert sich an eine Szene in Heidenau: Eine Frau schnappt ihr Kind und zieht es weg. Als Alboth sie anspricht, erzählt die Mutter, dass Demonstrationen hier im Ort nie etwas Gutes bedeuteten, wird allerdings neugierig, als die Aktivistin ihr erklärt, worum es geht. So etwas habe es hier noch nie gegeben, wundert sich die Frau. Vielleicht ist das genau die Kraft unseres Marsches, sagt Anna Alboth.

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