zum Hauptinhalt
Eingespieltes Team: Claudia Hämmerling mit ihrem Bullterrier.

© Thilo Rückeis

Claudia Hämmerlings Kampfhund: Wutz - und wie er die Welt sieht

Die Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling hält einen Kampfhund aus dem Tierheim - und hat ihm vieles beigebracht. Dennoch traut sie ihm nur begrenzt. Für sie ist der Staffordshire Bullterrier das lebende Argument für den Hundeführerschein.

Den Hund Wutz kann man aus zwei Perspektiven betrachten. Einerseits gehört das muskulöse braune Tier zur Rasse der Staffordshire-Bullterrier. Es gilt als „Kampfhund“, mithin als gefährlich und aggressiv. Andererseits befindet sich Wutzens Kampfhundkörper, 19 Kilo schwer, 40 Zentimeter Schulterhöhe, unter Kontrolle der Hundekennerin und Grünen-Politikerin Claudia Hämmerling. Sie weiß, wie man Wutz behandeln muss. Sie lässt ihn, wenn sie mit dem Hund draußen unterwegs ist, nie von der Leine und versieht ihn mit einem Maulkorb, wenn Wutz ausnahmsweise mal S-Bahn fahren muss. An Wutz’ kontrollierter potentieller Gefährlichkeit lässt sich erklären, warum Claudia Hämmerling das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Hunden reformieren will.

Auf den ersten Blick macht der Staffordshire-Bullterrier nicht den Eindruck, als solle man ihm nur bewaffnet entgegentreten. Er flitzt durch den Garten der Hämmerlings in Blankenburg, nähert sich in der leicht tänzelnd anmutenden Manier des Muskelhundes, lässt aber angesichts fremder Männer auf dem Grundstück weniger sabbernde Aggressivität als Vorsicht walten. Nicht jeder als Kampfhund geltende Hund will immer gleich kämpfen. Das liegt wohl daran, dass Wutz von seiner Herrin Claudia Hämmerling nachhaltig konditioniert worden ist: Gehorsam bedeutet, auf das zu hören, was die Herrin sagt. Korrektes Verhalten ist erwünscht und wird belohnt. Das hat Wutz verstanden und verinnerlicht.

Schlauer Gartenflitzer. Wutz ist gut konditioniert. Er hat verstanden: Korrektes Verhalten ist erwünscht und wird belohnt. Auch draußen, beim Herumtoben.
Schlauer Gartenflitzer. Wutz ist gut konditioniert. Er hat verstanden: Korrektes Verhalten ist erwünscht und wird belohnt. Auch draußen, beim Herumtoben.

© Thilo Rückeis

Claudia Hämmerling hat ein sehr nüchternes Verständnis vom Hundewesen. Hunde, sagt sie, könnten nicht denken, Hunde könnten nur „verknüpfen“ – zum Beispiel Befehl, Gehorsam und Belohnung. Wutz ist Hämmerlings vierter Hund, er kommt, wie einige Vorgänger, aus dem Tierheim. Ihre Erfahrung besagt: „Hunde funktionieren weitaus einfacher, wenn sie positiv konditioniert werden“, und: „Das, was er kann, kann er, weil ich es ihm beigebracht habe.“

Das Wutz womöglich auch anders kann, ahnt Claudia Hämmerling: „Wenn er sein Revier verlässt und sieht etwas, was er nicht kennt, reagiert er aufgeregt und angespannt“, sagt sie. Er möge es auch gar nicht, wenn sich ihm ein Mann mit erhobenem Arm nähere. Er zerrt dann an der Leine, spannt die Muskeln an. Wegen seiner Herkunft aus dem Tierheim weiß Hämmerling nichts von seinen früh-hundlichen Erfahrungen. Sie vermutet, dass er keine Zuwendung bekommen und viel Zeit in einer Scheune oder Halle zugebracht hat – womöglich als Wachhund. Und vielleicht hat der Hund auch Schläge verpasst bekommen – daher die Angst vor erhobenen Armen.

Kein Hund jedenfalls, dem man so einfach über den Weg traut. Auch Claudia Hämmerling tut das nicht – und wundert sich, dass immer wieder Leute große Hunde, womöglich sogar gefährliche Hunde, einfach so mit Kindern spielen lassen. Mit „Kampfhund“ oder nicht hat das wenig zu tun. Die Biss-Statistik sagt seit Jahren, dass Mischlinge am häufigsten zubeißen.

Wutz‘ Vorgänger bei Familie Hämmerling waren Mischlinge. Und gleich der erste, so erzählt die Grünen-Politikerin, habe sich mit einem anderen Hund heftig beißen müssen, als sie mit Tier und Kinderwagen unterwegs war. Weil sie gleich dazwischen ging und die Hunde zu trennen versuchte, habe sie die Kuppe eines Fingers der linken Hand eingebüßt.

Der jüngste Vorfall, bei dem ein Hund ein Kind schwer verletzte, geschah vor rund zwei Wochen in einer Wohnung. Was dieser Fall über die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen lehre, sei nicht zu sagen, so Claudia Hämmerling. Mit „Rasse“ sei der Vorfall jedenfalls nicht zu erklären. Ihrem „Wutz“ würde Hämmerling trotz seiner „relativen Ungefährlichkeit“ auch nur begrenzt trauen – auch wenn die Staffordshire-Bullterrier in England „Nanny Dogs“ heißen – frei übersetzt: Hüte-Hunde für kleine Kinder. Sie seien auf Familienverträglichkeit gezüchtet worden, sagt die Grünen-Politikerin.

Ein kurzer Film, den sie auf ihrem Computer gespeichert hat, zeigt ihre Enkelin – sie kann gerade laufen –, wie sie mit Wutz spielt, den schwarz-weiß-braunen Brocken ein wenig durchwalkt und nicht gerade respektvoll behandelt. Was den Hund nicht stört. Irgendwann stolpert das kleine Mädchen sogar über den Hund – und nichts passiert. Aber Hämmerling weiß, dass man Hunde und Kinder besser nicht miteinander allein lässt.

Die Erfahrung mit Wutz wie auch die Lehren aus der Statistik besagen für die Grünen-Politikerin, dass der Umgang mit gefährlichen Hunden und der Schutz der Öffentlichkeit vor ihnen nicht per Rasseliste zu regeln ist. Darauf finden sich Hunde, die nicht dahin gehören, während andere fehlen. Die Rasse „Mischling“ gibt es gar nicht.

Bilder: Diese Hunderassen gelten als gefährlich:

Andererseits weiß Hämmerling, dass auch Hunde wie „Wutz“ den Kampfhund in sich rauslassen können – wenn sie in diese Richtung dressiert werden. Staffordshire-Bullterrier zum Beispiel, meint die Politikerin, gehörten nicht in die Hände von jungen Männern mit gestörtem Ego – denen man ansieht, dass sie den Hund als Waffe mit sich führen. Solche Leute hielten alle Arten von Kampfhunden „nur wegen des Nimbus, den sie haben und ihres martialischen Aussehens“.

Da setzt nun Hämmerlings Vorschlag vom Hundeführerschein an. Eine generelle Führerscheinpflicht würde dazu beitragen, dass solche Leute solche Hunde gar nicht mehr halten dürfen: „Hundeführerschein und polizeiliches Führungszeugnis – da fallen einige durch den Rost“, sagt Claudia Hämmerling. Leinenpflicht und Maulkorbzwang für Hunde im öffentlichen Raum sollen in Berlin ohnehin bleiben.

Den Aufwand für den Hundeführerschein will sie nicht dramatisieren: „Man muss nicht vorgeben, wie jemand sich das notwendige Wissen erwirbt.“ Bücher, Videos,Hundeschule – alles komme infrage. Dazu gehöre auch, dass Hundehalter die Perspektive anderer Menschen in der Stadt akzeptieren, die womöglich einfach Angst vor Hunden haben: „Sensibilität, Rücksichtnahme – auch das muss man Hundehaltern beibringen.“

Zur Startseite