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Kommt in meine Arme. Cliff Richard, 73, ist seit fast 60 Jahren im Showgeschäft. Einst nannte man ihn den britischen Elvis, heute ist er eher für seichtere Klänge bekannt.

© imago/Future Image

Cliff Richard singt in Berlin: Die Marionette mit den roten Sohlen

Cliff Richard plaudert über Gitarren und Gott. Der Brite glaubt an einen modischen Auftrag. Am Mittwoch spielt er in der O2 World am Ostbahnhof.

In dem britischen Puppentrick-Kinofilm „Thunderbirds are go“ von 1966 gibt es eine Szene, in der Cliff Richard und seine Shadows auftreten. Gekleidet in einen glitzernden Showanzug, singt eine hölzerne, barbiegroße Richard-Marionette davon, dass eine Sternschnuppe seine Angebetete auf den Mars schießt, falls sie ihn nicht mehr liebt. Dann dengeln die Shadows-Puppen ein Rock ’n’ Roll-Riff auf einer überdimensionalen Gitarre.

Das Erstaunliche ist, dass Cliff Richard seiner Thunderbirds-Marionette noch immer ähnelt: Braun, glatt, mit glänzenden Augen und buntem Hemd sitzt der 73-jährige Brite und bekennende Christ in einem Hotel in Berlin, und plaudert in elegantem Britisch über Gott (sic) und die Welt.

Kindheit in England

Dabei wurde er in ein hinduistisch geprägtes Land hineingeboren: Weil sein Vater für die britische Eisenbahn in Indien arbeitete, lebte Richard die ersten acht Jahre im damals britischen Teil des Landes. „Uns ging es ganz gut“, erzählt er, „wir mussten jedoch alles verkaufen, um mit dem Geld die Tickets nach England zu bezahlen. Als wir dort ankamen, hatten wir noch fünf Pfund, um ein neues Leben zu beginnen.“

Die Webbs, wie Richards Familienname eigentlich lautet, wohnten in Englang zu sechst in einem kleinen Zimmer bei einer Verwandten. „Wir schliefen auf dem Boden. Aber das war das Beste, was uns passieren konnte, denn diese skandalösen Zustände wurden der Regierung gemeldet, und innerhalb von sechs Monaten hatten wir eine Art Sozialwohnung, für sehr wenig Miete.“ Richard wuchs in den 50ern in Hertfordshire auf, und sang gern Dean-Martin-Songs. Dann passierte etwas, dass den Arbeiterjungenalltag gehörig durchschüttelte: Mit 15 Jahren standen er und ein Freund neben einem Auto mit offenen Fenstern, ein riesiger, toller Schlitten. Das Radio lief, aber der Fahrer war einkaufen. „Kurz bevor er zurückkam, hörten wir den Song ,Heartbreak Hotel’. Eine Offenbarung! Aber das Auto fuhr weg, bevor der Song zu Ende war! Ein paar Tage später kam der Freund zu mir und sagte: Ich weiß wer das war, ein unglaublicher Name: Elvis!“

Beginn der Musikkarriere

Cliff Richard schmierte sich Gel in die Haare und trainierte seinen Hüftschwung. Für Gitarrenstunden war kein Geld da, aber sein Vater, der selbst Banjospieler war, kaufte ihm ein Instrument auf Pump: „Er hat jede Woche ein Pfund abbezahlt.“ Mit seiner ersten Band, den „Quintones“, die fleißig engelsgleichen Harmoniegesang übten, nahm er „für fünf Pfund die erste Single auf“. Sie wurde einem Menschen von der EMI zugespielt, der Richard zu einer Audition einlud. Mit 18 änderte er seinen Namen in Cliff Richard, seitdem nennt ihn niemand, nicht mal die engste Familie, mehr bei seinem Geburtsvornamen Harry. Der Rest ist Rock ’n’ Roll- oder auch Popgeschichte. Zunächst vermarktet als der „britische Elvis“, waren seine folgenden Welthits wie „Living Doll“ eher soft. 1964, mit 24 Jahren, entschloss er sich, sein Leben und seine Botschaft als Christ über das als Rock ’n’ Roll-Sänger zu stellen, trat – neben weiteren weltlichen Shadows-Aufnahmen – mit Billy Graham auf, und landete mit dem englischen Eurovision-Song-Contest-Beitrag „Congratulations“ 1968 einen Hit in Europa. Den nächsten Megahit hatte er 1979 mit „We don’t talk anymore“, ein Jahr später wurde er von der Queen mit dem „O.B.E.“ geehrt, 1995 gar zum Ritter geschlagen.

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Seit Jahren lebt Richard, der nie verheiratet war, sich selbst als heterosexuell bezeichnet und sich Spekulationen über anderweitige sexuelle Orientierungen strengstens verbittet, auf Barbados, teilweise mit einem seiner Manager. Und schaut dort anscheinend gern Fernsehen: „Ich habe mir alle Downton-Abbey-Staffeln gekauft, ich liebe ,Brothers & Sisters’ und ,Star Trek – The original Series’.“

Mode liebe er ebenfalls, sagt er, und zeigt stolz seine Lederschuhe. „Neulich habe ich mir Louboutins gekauft“, sagt er, das sind die Schuhe mit den roten Sohlen. Schließlich stamme er aus der „Oldschool des Showbusiness“: „Ich glaube daran, dass Stars Klamotten tragen sollten, die ihre Fans sich nicht anzuziehen trauen.“ Er erzählt, wie er beim Proben mit der Band, die ihn auf der „Still Realin’ and Rockin’“-Tour am Mittwochabend in der O2 World auch in Berlin begleiten wird, seinem Bassisten vorführte, wie man eine Jacke richtig trägt: „Es geht um die Attitüde dabei!

vom Ende zum Anfang

Cliff Richards 100. Album „The fabulous Rock ’n’ Roll Songbook“ ist im November herausgekommen. Darauf hat er sich an den Anfängen seiner Karriere orientiert: Skandalfreier Rock ’n’ Roll, zu dem sich sogar mit steifem Hüftgelenk einwandfrei schunkeln lässt. Am Schluss des Gesprächs wird er noch einmal freundlich-missionarisch bis prophetisch: „Gott wird über das Herz des Menschen richten. Und es wird viele Überraschungen geben, wenn wir in den Himmel kommen.“ Er würde wohl weiter über Jesus reden, doch die Zeit ist um, ein Händeschütteln, und die Ex-Marionette Sir Cliff Richard geht aus der Tür. Er sei übrigens sehr stolz gewesen, dass man damals eine Thunderbirds-Puppe aus ihm gemacht habe, hatte er noch erzählt. Muppets-Fan sei er nämlich auch.

Cliff Richard, Mittwoch, 14. Mai, 20 Uhr O2 World, Holzmarktstraße, Friedrichshain. Karten ab 67,50 Euro.

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