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Berlin: Clowns sind wie das Evangelium: Sie machen Freude und machen betroffen

Auf dem Faltblatt steht: "Zelt gut geheizt." Da ist was Wahres dran.

Auf dem Faltblatt steht: "Zelt gut geheizt." Da ist was Wahres dran. Feuchtwarm ist es unter der blauen Kuppel, stickig und eng dazu: elf Uhr Vormittag und draußen schon 25 Grad. "Noch nie war ein Ostermontag so heiß!" ruft Hans-Georg Filker gut gelaunt in das Rund. Und selten ist Filker, Pfarrer und Direktor der Berliner Stadtmission, mit Applaus und Tusch in einen Gottesdienst eingezogen. Doch zu Ostern im Zirkus Busch-Roland, der dieser Tage am Anhalter Bahnhof gastiert, ist ohnehin wenig so, wie es passionierte Kirchgänger gewohnt sein mögen: Saaldiener in roter Livree statt mürrischer Klingelbeutelhalter, flotte Jazzeinlagen statt Orgelchoräle und nebenbei allerlei artistische Glanznummern.

Womöglich waren die der Grund, weswegen das Zelt gestern Morgen trotz dicker Luft so voll wurde, dass manch Kollege Filkers vor Neid erblasst wäre - an einem Feiertag, der traditionell zu den besuchsschwächsten des Kirchenjahres gehört. Ein Gottesdienst "für die Artisten und für Besucher" solle es werden, sagt Filker zu Beginn. Deswegen gibt es die Lesung aus dem 1. Korinther-Brief gleich in dreifacher Ausführung: auf Deutsch, auf Polnisch und auf Russisch. Und die Artisten, sagt der Stadtmissionsdirektor weiter, brächten sich in den Gottesdienst so ein, wie es ihren Fähigkeiten entspricht: artistisch eben.

Den Auftakt machen Silvia und Sandra aus Prag. Silvia liegt auf dem Rücken und balanciert einen überdimensionalen Fußball mit ihren Füßen. Sandra schleudert Kegel durch die Luft. Das übliche Zirkusprogramm eben. Die Kinder johlen. Und Filker zieht etwas holprig Bilanz: "Artisten wollen Freude ausdrücken. Und Freude gehört auch zu unserem Glauben." Show und Besinnlichkeit. Um ein Bild aus der Zirkuswelt zu gebrauchen: Dieser Gottesdienst ist ein Balanceakt. Das wird spätestens klar, als sich der Kirchenchor erhebt: Männer mit Glatze, alte Damen mit Silberlocken. Typisch irgendwie. Doch der erwartete Choral bleibt aus. Stattdessen schmettern sie einen Spiritual. Und das Publikum spendet eifrig Beifall.

Filker indes macht sich gut als Zirkusdirektor. Wie er in der Manege steht und das "Duo aus der Ukraine" ansagt, steigt die Spannung. Der Mann hängt mit den Beinen an der Leiter, den Kopf nach unten. Die Frau baumelt in der Luft, gehalten nur von einer Schlaufe und einem Metallstück, auf das beide beißen. Und dreht sich, wirbelt schneller und schneller. Ohne Netz. Fünf Meter über der Manege. Als das Duo wohlbehalten wieder unten ist, sind alle erleichtert. Und Filker versucht sich an einem weiteren Vergleich: "Diese Nummer war ein gutes Beispiel dafür, was Vertrauen auf Gott bedeuten kann."

Nach den unvermeidlichen Clowns die unvermeidliche Predigt. Für Hans-Georg Filker passt auch das zusammen: Clowns seien wie das Evangelium. "Sie machen Freude und sie machen betroffen." Der Mann im Talar fasst sich kurz. Spricht über die Relevanz der Osterbotschaft für heute. Er könne jeden verstehen, der an der Auferstehung zweifelt, sagt er. Wer glaube, zu Zeiten der Bibel sei Glaube leichter gefallen, der irre sich: "Die Ostergeschichte ist voll Entsetzen und Hilflosigkeit." Der einzige Ausweg für heute: Man begreife Gott als Schöpfer. "Wenn Gott die Welt erschaffen hat, warum soll die Auferstehung dann unmöglich sein?" Eine ganz neue, hoffnungsvolle Perspektive eröffne sich durch die Osterbotschaft. "Darum gehört diese Botschaft in die Welt." Und Kirche in den Zirkus.

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