zum Hauptinhalt
Susanne Lämmer ist Geschäftsführerin Strategie bei Torben, Lucie und die gelbe Gefahr in Berlin

© privat

Community-Management in Berlin (3): "Analyse ist alles"

Am 26. und 27. Oktober treffen sich Community- und Social Media Manager aus ganz Deutschland zum mittlerweile sechsten Mal zum Community Camp in Berlin. Susanne Lämmer, Geschäftsführerin bei der Berliner Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr, über eierlegende Wollmilchsäue und menschliche Betriebssysteme.

Susanne Lämmer ist Geschäftsführerin Strategie bei Torben, Lucie und die gelbe Gefahr in Berlin und hat sich vor allem auf die Entwicklung digitaler Kommunikationsstrategien spezialisiert.

Frau Lämmer, Sie sind Strategiegeschäftsführerin bei Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG). Was machen sie da genau?

Wir beraten und begleiten Unternehmen bei ihrer Digitalisierung. Und zwar in verschiedenen Dimensionen. Zum einen im Community-Management, wo wir den Unternehmen helfen, ihre Kommunikation in sozialen Netzwerken zu organisieren und zu betreiben. Dafür produzieren wir Inhalte und gestalten Kampagnen. Wir gehen aber noch weiter, weil wir glauben, dass die digitale Kommunikation nicht nur Werbung im klassischen Sinne ist. Wir schauen uns die Produkt- und Serviceangebote der Unternehmen an und beraten sie strategisch dabei, diese Angebote ebenfalls zu digitalisieren und zu vernetzen. Und wir stoßen die dafür erforderlichen Veränderungsprozesse in den Unternehmen an. Im Kern geht es darum, Unternehmen und ihre Kunden im Netz in bleibende Beziehungen zu bringen und allen Beteiligten einen echten Mehrwert zu bieten.

Welche Communities betreut TLGG?

Unsere Community-Manager betreuen rund 20 Marken-Communities – von Lufthansa über Astra und Nutella bis hin zu HUK Coburg in den gängigen sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Google+, Instagram. Wir entwickeln und betreuen aber auch eigene Maßnahmen, wie z.B. Webservices, mobile Applikationen oder Kollaborationsplattformen für Unternehmen, die auf den Prinzipien dialogischer Vernetzung basieren.

Sind das vor allem größere Unternehmen oder sind auch kleinere Communities dabei? Und wo liegt der Unterschied in der Betreuung?

Unsere Communities sind unterschiedlich groß: die Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft hat rund 8.300 Fans, Nutella fast 1,5 Mio. Zwischen den Communities gibt es Ähnlichkeiten, aber auch signifikante Unterschiede. Das liegt weniger an der Größe als an den jeweils verschiedenen Bedürfnissen und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder: Fans von Nutella möchten über ihre Begeisterung für das Produkt sprechen und sie mit anderen teilen. Fans der Schweizer Multiple Sklerose Gesellschaft möchten als Betroffene ihre Erfahrungen austauschen. Fans der HUK Coburg möchten konkrete Informationen zu Versicherungen oder Antworten auf individuelle Fragen.                                      

Was bedeutet „Community-Management“ bei TLGG?

Community-Management ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Angebots, der uns sowohl von klassischen Werbeagenturen wie strategischen Unternehmensberatungen unterscheidet. Community-Manager arbeiten an der strategischen Entwicklung mit. Das heißt vor allem, dass sie den Teamaufbau und die Prozesse mitplanen und organisieren. Sie betreuen ihre jeweiligen Communities redaktionell, erstellen Redaktionspläne, schreiben Postings und führen den Dialog in enger Abstimmung mit unseren Auftraggebern. Zudem erstellen sie Berichte über den Erfolg ihrer Maßnahmen und geben Empfehlungen für die Weiterentwicklung. Immer wichtiger wird die Beratung, beispielsweise wenn Unternehmen selbst ein internes Community-Management aufbauen wollen. Dabei entwickeln unsere Community-Manager auch Trainingsangebote und schulen Mitarbeiter in den Unternehmen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Community-Manager Job in einer Agentur im Unterschied zum Community Management für eine spezielle Community oder ein einzelnes Unternehmen?

In Unternehmen werden Community-Manager oft als eierlegende Wollmilchsäue eingesetzt –von der Konzeption bis zum Projektmanagement. Bei uns ist das Profil klarer umrissen. Außerdem sind Community-Manager bei uns keine Einzelkämpfer, sondern können sich mit Kollegen im Community-Team sowie mit Strategen und Konzeptern austauschen. Im Unterschied zu Community-Managern von Special Interest Communities kümmern sich unsere Community-Manager um zwei bis drei Communities gleichzeitig. Deswegen müssen sie sich sehr schnell und immer wieder in unterschiedliche Zielgruppen und Themengebiete einarbeiten.

Soziologie statt Technologie

Wie erkennt man die Bedürfnisse einer Zielgruppe und wie aktiviert man im Netz den Dialog mit dieser?

Community-Management ist ein fortlaufender Experimentier- und Lernprozess. In der Aufbauphase von Communities untersuchen Strategen mit qualitativen und quantitativen Verfahren, wie z.B. Interviews oder Testkampagnen, wie die Zielgruppe aufgebaut ist und welche Bedürfnisse sie hat. Gemeinsam mit den Unternehmen erarbeiten wir dann, welche kommunikativen Mehrwerte wir den Zielgruppen bieten können, um nachhaltige Beziehungen aufzubauen. Wir arbeiten zum Beispiel mit einem  Pharmaunternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere anbietet. Nachdem wir aufgezeigt haben, was sich die Zielgruppe wünscht, konnten wir das Unternehmen überzeugen, einen Service zur Ernährungsberatung anzubieten und weniger über Inhaltsstoffe des Mittels zu reden. Was in der Strategie noch eine These ist, muss dann im Betrieb überprüft werden. Wir sehen so, wie die Maßnahme bei der Zielgruppe wirkt. Und können, wo nötig, unsere Thesen korrigieren und Maßnahmen anpassen.  

Community-Management wird heutzutage immer wichtiger? Woran liegt das?

Das liegt daran, dass soziale Technologien echten Dialog ermöglichen. Technologie und Kanäle sind dafür nur Mittel zum Zweck. Deswegen finde ich den Begriff „Social Media“ irreführend. Es geht nicht um Medienkanäle wie Facebook, Twitter und so weiter, sondern darum im digitalen Raum langfristige Beziehungen zwischen Menschen aufzubauen. Dafür brauchen wir vor allem „menschliche Betriebssysteme“: Menschen, die auf Plattformen für andere Menschen da sind, relevante Inhalte bereitstellen, Antworten geben, Hilfestellungen durch Services bieten. Sie bestehen zum einen aus Community-Managern, die diese Aktivitäten auf den Plattformen gestalten. Zum anderen braucht es im Hintergrund den fortlaufenden kommunikativen Austausch und die Zusammenarbeit mit verschiedensten Ansprechpartnern im Unternehmen. Das Unternehmen muss sich abteilungsübergreifend vernetzten. Man könnte sagen, dass Unternehmen intern selbst zur Community werden müssen, um die Beziehungen und den Dialog mit ihren Communities zu gestalten.

Kurz gesagt: die vernetzte Unternehmenskommunikation basiert zentral auf Community-Management.

Wie hat sich Kommunikation durch Vernetzung verändert? Und was bedeutet das für die Unternehmenskommunikation?

Kunden sind heute immer schwerer durch klassische Kommunikation erreichbar. Klassische Marketing-Kommunikation oder PR war nicht wirklich dialogisch, sondern monologisch. Der Kunde blieb dabei in der Rolle Empfängers, also passiv. Wenn Marken heutzutage ihre Kunden erreichen wollen, dann müssen sie sich auf den aktiven Kunden einstellen: Der sucht sich selbst seine Kontaktpunkte mit dem Unternehmen und gibt sich nicht mehr mit einer passiven Rolle zufrieden. Er nutzt die Möglichkeiten der Vernetzung, um seine Meinung zu Produkten, Services und Botschaften von Unternehmen kund zu tun. Er bewertet Produkte auf Amazon oder er beschwert sich auf einer Facebook-Seite, beispielsweise über den miserablen Service eines Paketzustellers. Das bedeutet in der Konsequenz: Unternehmen müssen da kommunikativ präsent sein, wo sich ihre Kunden sich aufhalten, auf Facebook, in Special Interest Communities, Foren, in der Mobile App... Und sie müssen dort Mehrwerte und Nutzen bieten, die ihre Kunden brauchen und wollen. Für den Paketzusteller hieße das: einen Service zu bieten, der dafür sorgt, das man das nicht zugestellte Paket erhält, anstatt auf einem Werbeplakat bloß zu behaupten, man biete tollen Service. Es geht also darum, Mehrwert und Nutzen zu bieten und Menschen mit Menschen zu verbinden, Soziologie statt Technologie. Bis sich das allerdings durchgesetzt hat und Alltag in der Kommunikation von Unternehmen und Organisationen sein wird, müssen einige Unternehmen noch komplexe Veränderungsprozesse durchmachen.

Am 26. und 27. Oktober 2013 treffen sich Community- und Social Media Manager aus ganz Deutschland zum mittlerweile sechsten Mal in der Cimdata Medienakademie Berlin zum CommunityCamp (#ccb13), einem Themencamp der beliebten Barcampreihe. Initiatoren und Teilnehmer freuen sich auf zwei intensive Tage des Wissensaustausches und Networking rund um die Fragestellungen, wie veränderte Möglichkeiten der Kommunikation und des Dialogs, unser soziales, politisches und wirtschaftliches Miteinander verändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false