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Cool und koscher: Jüdische Parade am Ku’damm

Nachdem 2010 die erste "Jüdische Parade für Frieden und Toleranz" stattfand, ging es in diesem Jahr sogar auf den Kurfürstendamm.

Von Sandra Dassler

„Be cool, be kosher, be berlin“ steht auf roten Luftballons, den T-Shirts und Papphütchen, die Männer, Frauen und Kinder tragen. Manche Passanten schauen an diesem Sonntagnachmittag irritiert, als ihnen von einem Festwagen aus eine Kuh und ein Hahn fröhlich zuwinken – die beiden stehen für die Trennung von Fleischigem und Milchigem. Und wer immer noch nichts begreift, hat spätestens angesichts des mit israelischen Fahnen geschmückten Motorrades am Ende des Zuges die Erkenntnis: Hier marschieren tatsächlich Berliner Juden zu den Klängen der Band „EverBrass“ durch die Stadt.

Nachdem 2010 die erste „Jüdische Parade für Frieden und Toleranz“ stattfand, trauten sich die Organisatoren von der Organisation Chabad Lubawitsch in diesem Jahr sogar auf den Ku’damm. „Hier hat seit vielen Jahrzehnten keine jüdische Parade mehr stattgefunden“, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal: „Dass es jetzt wieder möglich ist, zeigt, wie positiv sich jüdisches Leben in Berlin entwickelt.“ Der bunte Zug gibt ihm recht: Kinder laufen auf Rollschuhen, andere werden von ihren Müttern in Kinderwagen geschoben. Drei bunte Clowns animieren die Teilnehmer zu Sprechchören. Transparente fordern „Liebe Deinen Nächsten“ – aber auch: „Lernt Thora. Das ist das Wahre.“

„Bei Chabad Lubawitsch sind sie schon religiöser als die meisten Juden in Berlin“, sagt eine junge jüdische Frau, die nicht mitmarschiert ist, aber das anschließende Fest in der Münsterschen Straße besucht: „Ich schaffe es zum Beispiel nicht, alles koscher zuzubereiten, aber das ist selbst bei Frauen in Israel so.“

„Wichtig ist doch nur, dass man sich wieder einmal darauf besinnt, dass man ist, was man isst“, sagt Rabbiner Teichtal, der die Teilnehmerzahl auf mehr als 1500 Menschen schätzt und sich freut, wie viele Organisationen das Fest unterstützen. Dass die jüdische Gemeinde von Berlin nicht dazugehört, will er nicht kommentieren. Deren Vorstandsmitglied Jochen Palenker sagt: „Das ist eher eine amerikanische Tradition – aber wir haben auch nichts gegen die Parade, sie ist Teil des jüdischen Lebens in der Stadt.“

Ähnliche Paraden finden auch in Paris, New York und Moskau statt, sagt Rabbiner Teichtal. Die Juden feiern damit „Lag baOmer“, das Fest der Einheit, das an den Ben-Kochba-Aufstand erinnert, aber auch an die Anfänge der jüdischen Mystik. „Wir wollen damit vor allem zu Frieden und Toleranz aufrufen“, sagt Teichtal. Viele schlossen sich dem gestern an. „Am Ku’damm lebten bis zur Machtergreifung der Nazis immer viele jüdische Familien“, sagt ein 86-jähriger Berliner. „Ich finde gut, dass es jetzt wieder richtiges jüdisches Leben hier gibt.“ Sandra Dassler

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