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Bei der Mosaik gGmbH arbeiten und lernen Menschen mit geistigen Handicaps.

© Mosaik

Corona-Rettungsschirm hat Lücken: Gemeinnützige Betriebe in Not

Viele gemeinnützige und soziale Betriebe in Berlin stehen in der Coronakrise vor der Insolvenz. Die staatlichen Finanzhilfen greifen bei ihnen nicht.

Frank Jeromin bangt, wie es in der Coronakrise weitergeht mit seinem Unternehmen. Er ist Geschäftsführer der Mosaik gGmbH, die in Berlin 1500 Menschen beschäftigt. Das kleine g ist das große Problem. Denn der Rettungsschirm, der in Deutschland für Unternehmen und Betriebe aufgespannt wurde, um Insolvenzen zu verhindern, lässt die gemeinnützigen und sozialen Betriebe im Regen stehen. Bei ihnen greifen die Hilfen nicht.

Doch ihr, nicht vorrangig auf Profit ausgerichteter Betrieb ist natürlich in der Krise auch zusammengebrochen, weil die Mitarbeiter zu Hause sitzen. Bei der Mosaik gGmbH trifft das geistig behinderte Menschen, die in den Werkstätten ausgebildet werden, oder Waren zum Verkauf produzieren.

Auch die Cafés und Kantinen, die bei Mosaik eingeschränkt arbeitsfähigen Menschen ein Auskommen sichern, sind geschlossen und machen keinen Umsatz mehr. „Eine gefährliche Situation, die alle Behindertenwerkstätten betrifft“, sagt Frank Jeromin. Zwar habe die Berliner Sozialverwaltung signalisiert, dass zumindest bis 19. April die Zuwendung gesichert sei. Aber danach?

Noch beunruhigender sieht es für Mosaik im Bereich der Berufsfördernden Maßnahmen aus. Am 31. März liefen die finanziellen Mittel der Bundesanstalt für Arbeit aus – noch am 2. April wartet man auf eine Nachricht aus der Nürnberger Bundeszentrale, wie es weitergeht. Weil gemeinnützige oder soziale Betriebe nur sehr begrenzt Rücklagen aufbauen dürfen, ist die Insolvenzgefahr in dieser Situation erheblich.

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Soziale Organisationen sollen per Telefon mit ihrer Klientel sprechen

Mosaik ist nur ein Beispiel. Es warnen auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Sozialverband Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Freie und gemeinnützige Träger, die etwa betreutes Wohnen, Tagesbetreuung und Frühförderung in Familien anbieten, stünden durch die wegbrechende Finanzierung vor einer Insolvenz, warnen die Verbände.

„Wir halten den Atem“ an, sagt Martin Hoyer, der stellvertretende Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, dem in Berlin 700 Mitgliedsorganisationen angehören. Zwar habe man in Gesprächen mit dem Senat Unterstützung erfahren. So wurde sozialen Betrieben und Organisationen zugesichert, dass ihre finanzielle Förderung erhalten bleibe, wenn sie, anders als im Zuwendungsbescheid festgelegt, in der Coronakrise ihre Arbeit umstellten – also nicht mehr Vorort-Besuche machten, sondern per Telefon mit ihrer Klientel kommunizierten. Oder wie bei der Mosaik gGmbH, wo der Werkstattbetrieb ruht, den Beschäftigen in der Berufsförderung Lernmodule geschickt werden.

Auch andere Organisationen gefährdet

Gefährdet sind auch Organisationen wie die Naturfreunde Deutschlands, die rund 400 Naturfreunde-Häuser betreiben. Sie sind vom Verbot touristischer Übernachtungen und der Schließung von Restaurants betroffen. Zudem wurden massenweise Klassenfahrten abgesagt, Veranstaltungen und Seminare storniert. So fehlen fest eingeplante Einnahmen in den Einrichtungen, die in hohem Maße durch ehrenamtlichen Einsatz betrieben werden und deswegen preiswert sein könnten. Die Naturfreunde fordern schnelle und unbürokratische Hilfe.

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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gesteht ein, dass „soziale Dienstleister und Einrichtungen (…) infolge der Coronavirus-Pandemie von schwerwiegenden finanziellen Einbußen bis hin zur Insolvenz bedroht sind“. Besonders schwer betroffen seien die freien Wohlfahrtsverbände, „denn diese dürfen als gemeinnützige Träger – anders als kommerzielle Anbieter – kaum Risikorücklagen bilden und können oftmals keine Kredite aufnehmen.“

In vielen Fällen fehlt die „vertragsrechtliche Grundlage“

Wie den betroffenen Organisationen geholfen werden kann, lässt das Bundesarbeitsministerium weitgehend offen. In einer 21-seitigen Handreichung heißt es stattdessen lapidar: „Es gibt derzeit keine eindeutige gesetzliche Grundlage, die es den hinter diesen Angeboten stehenden Leistungsträgern ermöglicht, ihre Zahlungen an die sozialen Dienstleister und Einrichtungen fortzusetzen.“ Und für den „einfachen Weg“, bei sogenannten Maßnahmeträgern den Zeitraum der Unterbrechung durch die Coronakrise „weiter durchgängig zu finanzieren“, heißt es im Ministerium, „fehlt in vielen Fällen … die vertragsrechtliche Grundlage“.

Paritäter-Geschäftsführer Martin Hoyer beklagt darüber hinaus , dass auch im Land Berlin krisenbedingt in der Verwaltung die erfahrenen Ansprechpartner ausfallen. Derzeit habe keiner den Überblick, sagt Hoyer, zumal sich die Situation auch „wahnsinnig schnell“ verändere.

Er kennt weitere Problemfälle im Gesundheitsbereich. Bei gemeinnützigen oder ehrenamtlich betriebenen Organisationen, bei denen bislang Behandlungen von den Krankenkassen bezahlt wurden, oder bei Selbstzahlern, die z.B. Sportangebote nutzen, wachsen die Probleme. Und: Soziale Träger können in Berlin bei der Investitionsbank nur Anträge auf finanzielle Überbrückung stellen, wenn sie eine GmbH sind, nicht aber ein eingetragener Verein.

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