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In Aktion: Die Singfrauen bei einem Auftritt in Berlin.

© Singfrauen Berlin

Cosoa-Festival in Berlin-Tempelhof: Lieder wider das Vergessen

Die Singfrauen Berlin präsentieren beim Chor Open Stage Open Air ein überraschendes Repertoire mit Stücken in verdrängten Sprachen. Das Festival beginnt am Sonnabend in der Ufafabrik.

Eine halbe Stunde einsingen, dann geht es los: Wie jede Woche probten die Singfrauen Berlin auch an diesem Dienstag im Paul-Gerhardt-Saal der gleichnamigen Gemeinde an der Schöneberger Hauptstraße. Doch diesmal war es die letzte Vorbereitung auf einen besonderen Auftritt: das Chor Open Stage Open Air, kurz Cosoa, am Wochenende auf der Sommerbühne der Ufafabrik.

Die Singfrauen treten bei dem Festival zum zweiten Mal auf, das erste Mal war vor vier Jahren. „Es hat einfach ein schönes Ambiente“, schwärmt die erste Vorsitzende de Vereins, Beate Brodowski. „Und wir können neue Chöre kennenlernen.“

"Befruchtende Zusammenarbeit"

Bei der heutigen Probe dirigiert Sybille Fischer die Sängerinnen – lebhaft, mit Körpereinsatz, sie tritt vor und zurück, klettert kurzerhand auf die Bühne des Saales, damit sie alle besser sehen können. Fischer ist seit 2016 die Co-Leiterin des Chores, im Wechsel mit Leiterin Franziska Welti. Diese leitet seit 20 Jahren in Winterthur in der Schweiz, wo sie auch wohnt, einen Frauenchor. 2013 hatte sie die Singfrauen Berlin ins Leben gerufen. Probleme durch die wechselnde Leitung in den Proben? „Es ist eine befruchtende Zusammenarbeit“, sagt Welti.

37 Frauen geben dem Chor seinen Klang. Eine Zeit lang hätten sie Schwierigkeiten gehabt, tiefe Stimmen zu finden, sagt Welti. „Aber jetzt haben wir ein gutes Gleichgewicht.“ Bei manchen Liedern stimmt das auch sofort, sie müssen nur einmal durchgesungen werden. Bei anderen Stücken empfindet Fischer eine Stimme noch als zu dominierend oder der Ton sitzt noch nicht ganz – dann werden die Strophen noch einmal gesungen.

Vorliebe zu Osteuropa

Die Freude am Singen ist ihnen allen bei der Probe schon anzusehen, das Lächeln bei Auftritten garantiert nicht aufgesetzt. Ihre Stücke könnten vielfältiger nicht sein: laute und leise, kraftvolle und sanfte Lieder. In einigen Soli und Trios kommen die einzelnen Stimmen zum Vorschein. Sie singen in verschiedenen Sprachen.

Hauptsächlich auf ost- und südeuropäischen wie Georgisch, Kroatisch, Italienisch, aber auch Isländisch. Daneben haben sie Stücke in verdrängten Sprachen im Repertoire - beispielsweise Lasisch, das in Teilen der Türkei und Georgiens gesprochen wird, und Griko, eine Mischung aus Griechisch und Italienisch.

Das bedeutet für den Chor natürlich mehr Arbeit: Die Texte müssen übersetzt werden, damit die Sängerinnen die richtige Stimmung transportieren können. Und sie müssen die Aussprache lernen – mithilfe von Audiodokumenten.

Zu verdanken haben die Frauen diese Ausrichtung der Vorliebe von Welti für Osteuropa. Und einem Film: „Wie Luft zum Atmen“, einer Dokumentation über georgische Musik. Davon begeistert kontaktierte Welti die Leiterin eines der darin portraitierten Chöre. Entstanden ist daraus eine Chorpartnerschaft mit gegenseitigen Besuchen und Kooperationen.

Der Chor selbst ist aus einer Reihe von Sonntagsworkshops hervorgegangen. Dort waren Frauen eingeladen, gemeinsam zu singen. Im Anschluss startete Welti ein dreimonatiges Projekt mit den Frauen, das in einem Konzert mündete. Soweit der ursprüngliche Plan. Am Ende gründeten sie einen Verein.

Buntes Cosoa-Festival

Auf dem Chor Open Stage Open Air bilden sie den letzten Programmpunkt am Sonntagabend. Es findet in diesem Jahr bereits zum achten Mal statt und erfreut sich großer Beliebtheit in der Chorszene, die besonders in Berlin mit rund 2500 Chören riesig ist. Bei der Allgemeinheit sei es leider noch wenig bekannt, sagt Jule Bernhard, die das Festival mitorganisiert. Deshalb können Gäste gegen einen kleinen Aufpreis Workshops besuchen, in denen sie beispielsweise Beatboxen lernen.

22 Chöre treten in diesem Jahr auf. Zu Anfang warben die Initiatoren um die Chöre. Mittlerweile ist der Spieß umgedreht: Chöre bewerben sich um einen Auftritt auf dem Cosoa-Festival – und müssten die Organisatoren in Proben und mit ihrem Programm überzeugen, um dabei sein zu können, sagt Bernhard. „Wir wollen das Festival so bunt wie möglich halten.“ Mit Chören wie einem Ü60-Männerchor, der Lieder der Rocky-Horror-Picture-Show singt und den Singfrauen mit ihren ost- und südeuropäischen Liedern gelingt das ganz sicher.

Das Chor Open Space Open Air findet von Sonnabend, 14 Uhr, bis Sonntag, 21 Uhr, auf der Sommerbühne der Ufafabrik statt, Viktoriastraße 10-18 in Tempelhof. Tickets unter www.eventbrite.de

Johanna Lehn

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