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Cranach-Ausstellung: Blaupause aus Tierhäuten und Ölpapier

Bei der neuen Cranach-Schau stießen die Restauratoren auf eine bislang unbekannte Maltechnik des Genies. Bis zum 24. Januar ist die Ausstellung im Schloss Charlottenburg zu sehen.

Selbst 500 Jahre alte und durch viele Generationen von Wissenschaftlern begutachtete Gemälde stecken mitunter noch voller Geheimnisse. Lukas Cranach (der Ältere) beispielsweise galt nicht zuletzt wegen seiner vielen Porträts von Martin Luther als weitgehend erforscht. Doch in Vorbereitung auf die am morgigen Sonnabend im Schloss Charlottenburg und in der St. Marienkirche in Mitte beginnende Ausstellung von mehr als 30 Gemälden des Meisters und von Kunstwerken aus den mittelalterlichen Stadtkirchen Berlin-Cöllns stießen die Restauratoren auf eine kleine Sensation.

Mittels Röntgenstrahlen und auf Infrarot-Aufnahmen entdeckten sie unter der Farbschicht mehr oder minder kräftige Linien, die wie Spuren einer „Blaupause“ aussahen. Wurde hier also kräftig kopiert und nachgezeichnet? Darauf deuten beispielsweise zumindest zahlreiche deckungsgleiche Bildnisse des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. aus dem Jahre 1529 hin, die unter anderem in Bayern und Berlin hängen. Besucher der Ausstellung in Charlottenburg können dem vermeintlichen Rätsel leicht auf die Spur kommen.

„Wir zeigen in einem Film unsere wirklich unerwarteten Erkenntnisse“, sagte die Restauratorin Mechthild Most. „Demnach hat Cranach die Porträts des Kurfürsten, von Luther und anderen Personen höchstpersönlich auf Papier gemalt und sie dann in die Werkstatt gegeben.“ Dort seien sie auf eine Folie über eine Maltafel gelegt worden und ganz klassisch mit einem spitzen Gegenstand 1:1 durchgedrückt worden. Das „Blaupapier“ habe aus einer Mischung von Tierhäuten und Ölpapier bestanden.

Dieses bis vor einigen Wochen noch unbekannte Verfahren hatte viele Vorteile. Cranach zeichnete seine Auftraggeber in kurzer Zeit mit dem gewünschten Gesichtsausdruck, während sich seine Angestellten auf die prachtvolle Kleidung und andere Elemente konzentrierten. „Außerdem konnten so Wünsche nach weiteren Bildern erfüllt werden, da sich die Herrscher gern gegenseitig beschenkten“, berichtete die Restauratorin Most. „Zufällig hatten wir in den Depots mehrere solcher Porträtstudien von Cranach entdeckt, die wir natürlich zur Illustration auch zeigen.“ Spezielle Restauratorenführungen am 12. November und am 14. Januar beschäftigen sich jeweils ab 18 Uhr auch mit der Maltechnik des Meisters.

Für den Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Professor Hartmut Dorgerloh, sind die beiden Ausstellungen „das Beste zur Renaissance, das je in Berlin gezeigt wurde“. Bedauerlicherweise sei die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg heute weitgehend vergessen. Aber die Schau erkläre eindringlich, warum Preußen später zur führenden Macht in Deutschland aufgestiegen sei.

Die Cranach-Schau im Schloss Charlottenburg ist ab Sonnabend bis zum 24. Januar mittwochs bis montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt acht Euro, ermäßigt sechs Euro. In der St. Marienkirche kann die Schau „Kirche, Hof und Stadtkultur“ bis zum 24. Januar montags bis sonnabends von 10 bis 18 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr besichtigt werden. Auskünfte unter Tel. 0331/96 94 200, www.spsg.de/cranach und www.marienkirche-berlin.de

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