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Die werdenden Väter üben das Wickeln an Puppen.

©  Mike Wolff

Crashkurs für werdende Väter: Männerabend mal anders

Immer mehr Väter wollen sich auch gut vorbereiten auf die Geburt ihres Kindes. In einem eigenen Crashkurs lernen sie, worauf es ankommt. Ein Besuch.

Es ist Donnerstag, ein lauer Sommerabend, kurz vor 18 Uhr. Einer nach dem anderen treffen die Männer nach Feierabend ein. Hier ein kurzer Plausch, dort noch ein Schluck aus der Flasche, manche sind zusammen mit einem Kumpel gekommen. Die Gruppe trifft sich heute zum ersten Mal. Das Ambiente: weder Kneipe noch Fußballplatz, sondern ein Stuhlkreis im Konferenzraum des Vivantes Klinikum am Urban. Das Thema der Männerrunde: Kinder kriegen.

Zwölf Männer, geschätzt fast alle im Alter zwischen 30 und 40, haben sich in der Klinik zu einem Crashkurs für werdende Väter eingefunden. Alle erwarten in einigen Wochen oder Monaten ihr erstes Kind, nur einer der Teilnehmer hat schon eine ältere Tochter.

Auf den neuen Lebensabschnitt wollen sich die Männer offenbar gewissenhaft vorbereiten. Ihre Zusammenkunft macht deutlich: Die Zeiten, in denen das Kinderkriegen reine Frauensache war, sind lange vorbei. Das bestätigt auch Alexander Kusinski, Sozialarbeiter und Leiter des Crashkurses, der vom Verein Väterzentrum getragen wird: „Ich spüre das in meinen Kursen ganz konkret. Die Männer haben immer mehr Interesse an einer gleichberechtigten Partnerschaft.“ Und die umfasst eben auch die Kindererziehung und alles, was damit zusammenhängt.

Geburtsvorbereitungskurse für Schwangere sind längst eine Selbstverständlichkeit, oft begleiten Männer ihre Partnerin auch dorthin. Warum braucht es dann noch Kurse extra für Männer? „Wir wollen die Väter dort miteinander ins Gespräch bringen“, sagt Kusinski. „Wir sehen die Crashkurse eher als Ergänzung zu den Paar-Angeboten.“ Denn nicht nur für schwangere Frauen ist die Zeit vor und direkt nach der Geburt eine Zeit der tiefgreifenden Veränderung. Auch Männer sehen sich in dieser Phase mit vielen neuen, manchmal unerwarteten Herausforderungen konfrontiert – die sowohl ihre Partnerin als auch den Nachwuchs betreffen. In dem Crashkurs geht es daher nicht nur um Schwangerschaft und Geburt, sondern auch um all das, was danach auf die Eltern zukommt.

Drei Stunden haben die Männer Zeit, um ihre Fragen an Alexander Kusinski loszuwerden, auch diejenigen, die sie womöglich ungern im Beisein ihrer Frau stellen würden. Etwa: Wie gehe ich mit einem schreienden Kind um, wenn ich nach der Arbeit sowieso schon total gestresst bin? Und wie mit meiner Frau, wenn sie in den Wochen nach der Geburt unter der Hormonumstellung leidet? Oder: Wie ist es eigentlich mit dem Sex, wenn das Kind dann da ist?

Alexander Kusinski
Alexander Kusinski

©  Mike Wolff

Die meisten der angehenden Väter, die den Weg ins Vivantes Klinikum am Urban gefunden haben, haben sich schon ziemlich gut auf ihre neue Rolle vorbereitet. Viele von ihnen berichten von Büchern, die sie im Laufe der Schwangerschaft gelesen haben, oder von der nervenaufreibenden Suche nach einem Kitaplatz. Einer von ihnen ist Darius. Einfach abzuwarten, bis das Kind irgendwann da ist, kommt für ihn nicht infrage. Darius will in Sachen Nachwuchs lieber nichts dem Zufall überlassen. „Ich habe in den vergangenen Monaten schon ziemlich viel gelesen. Das meiste davon war allerdings sehr abstrakt“, sagt der 35-jährige Unternehmensgründer aus Berlin, der sich nun im zweiten Schritt auch die Praxis aneignen will. Den Kurs besucht er aber auch, „weil ich ein kritischer Hinterfrager sein will“ und weil er nicht alles, was man sich gemeinhin so über Kinder und deren Erziehung erzählt, einfach so glauben und übernehmen will.

Trotz der kühlen Klinikatmosphäre kommt die Gruppe schnell ins Gesprächs. Kursleiter Kusinski ist die Begeisterung anzumerken, wenn er vor den Männern über das Vatersein und die Bindung zum Kind spricht. Als Vortrag will er den Kurs aber nicht verstanden wissen: „Ich sehe mich eher als Moderator, gebe Impulse zu Themen und spreche die Männer direkt an.“ Die wiederum sollen dann untereinander ihre eigenen Erfahrungen und Standpunkte diskutieren.

Kusinski selbst hat zwei Kinder, die mittlerweile erwachsen sind. Zum Vorbild für die Kursteilnehmer taugt der 55-Jährige nach eigener Aussage aber trotzdem nicht so recht: „Ich war damals nicht gut auf die Vaterschaft vorbereitet.“ Auch aus dieser Erfahrung rührt wohl heute sein großes Engagement für Väter, die sich aktiv in die Erziehung ihrer Kinder einbringen. Seine Botschaft lautet: „Mischt euch ein!“

In seinen Kursen vermittelt Kusinski ein modernes Bild vom Vatersein. Weg vom bloßen Dasein als Ernährer, hin zu einem Leben als liebevoller Erzieher und aufmerksamer Beschützer. Ein Bild, das offenbar immer mehr Männer mit ihm teilen. Auch wenn der Kurs zeigt, dass in Sachen Elterngeld-Monate bei den Vätern noch Luft nach oben besteht. Fast alle haben mit ihrer Partnerin die klassische Verteilung gewählt: Zwölf Monate bleibt die Mutter mit dem Kind zu Hause, zwei Monate übernimmt der Partner. So sieht sie eben aus, die Realität. Auch hier in Kreuzberg.

Nicht immer ist es der Mann, der kein Interesse hat

Kusinski ermuntert die werdenden Väter dennoch dazu, gleichberechtigt an der Erziehung ihrer Kinder teilzuhaben. Und sieht dabei beide Elternteile in der Pflicht, denn nicht immer sei es der Mann, der kein Interesse habe, sich um den Nachwuchs zu kümmern. „Manche Frauen trauen ihren Männern beim Umgang mit Kindern nichts zu“, sagt Kusinski zu den angehenden Vätern. „Lasst euch nicht so einfach wegschicken.“

Diese Botschaft kommt an. Die Kurse, die Kusinski an verschiedenen Berliner Kliniken einmal im Monat anbietet, sind gut besucht, die Teilnehmerzahlen für gewöhnlich zweistellig. Und auch im Vivantes Klinikum am Urban hören die Männer an diesem Abend gespannt zu. Man sieht ihnen förmlich an, wie sie versuchen, möglichst jede noch so kleine Information aufzusaugen, um auch ja alles richtig zu machen, wenn das Kind dann da ist. Aber welcher Typus Mann kommt zu so einem Kurs? In dieser Runde wirken die meisten eher bürgerlich. Ordentlich gekleidet, vermutlich guter Job und – nicht zuletzt – offensichtlich interessiert am Wohlergehen ihrer schwangeren Partnerin und ihres noch ungeborenen Kindes. Den Vorzeigemacho mit den doofen Sprüchen sucht man in der Runde jedenfalls vergebens.

Alexander Kusinski beobachtet, dass die Kurse mittlerweile von weit mehr Männern gut angenommen werden als noch 2010, als er sie erstmals an den Kliniken anbot. Nicht umsonst finden sie auch in unterschiedlichen Berliner Kiezen statt. „Als sehr positiv empfinde ich zudem, dass immer mehr Männer mit Migrationshintergrund die Kurse besuchen“, sagt er.

[Diesen und weitere interessante Artikel rund um die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und Familie finden Sie im soeben aktuell erschienenen Gesundheitsratgeber „Tagesspiegel Eltern & Kind“. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop, www.tagesspiegel.de/shop, Tel. 2902-520, sowie im Zeitschriftenhandel. Termine und Anmeldedaten zu den Crashkursen für werdende Väter unter vaterzentrum- berlin.de und beratung-im-kontext.de. Die Teilnahme kostet 30 Euro.]

Während die meisten Männer im Crashkurs zumindest die Theorie schon recht gut beherrschen, offenbaren die werdenden Väter im zweiten, praktischen Teil des Kurses so manche Unsicherheit. Wie halte ich mein Baby richtig? Wie schütze ich seinen Kopf und Nacken? Und auf welcher Höhe muss ich es halten, damit es nach der Mahlzeit in Ruhe sein Bäuerchen erledigen kann? Bei den ersten Versuchen läuft da noch einiges schief. Offenbar kann man sich auch nicht alles anlesen. Manches muss man mehrfach ausprobieren, um es zu beherrschen. Alexander Kusinski leitet die Männer mithilfe dreier originalgroßer Babypuppen geduldig bei allen Übungen an, führt verschiedene Grifftechniken vor und erklärt, wie man am besten beim Wickeln vorgeht.

Es braucht ein bisschen, bis jeder die offenbar nur auf den ersten Blick einfach anmutenden Handgriffe beherrscht. Aber bis zur Geburt bleibt den angehenden Vätern ja noch Zeit, um zu Hause alles noch ein paarmal Revue passieren zu lassen. Und selbst wenn das eine oder andere am Ende schiefläuft: „Euer Instinkt wird euch helfen, wenn ihr euer Kind erst mal im Arm habt“, versucht Alexander Kusinski die Männer zu beruhigen. Also, nichts gegen eine gute Vorbereitung. Aber die ist eben doch nicht alles.

Hauke Hohensee

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