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Berlin: Da liegt was in der Luft

Weißbartpekaris sind recht gefährliche Schweine – und sie verbreiten einen strengen Duft

„Guck mal, wie niedlich“, kräht im Zoo ein Steppke am Schweinehaus und zeigt auf einen rehbraunen Winzling, der vor ihm durchs Gehege tapst. Die Mutter des kleinen Zoobesuchers ist sichtlich weniger angetan – sie hält sich bei den Weißbartpekaris die Nase zu. Hängt doch ein ziemlich strenger Duft über dem Revier der Schweine dieses Namens, von denen sich etliche zu einem im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinkenden Haufen zusammengerottet haben – die Großen darunter erkennt man am fettig glänzenden schwarzen Fell, die Jungen sind noch rehbraun.

„Bisamschweine“ nennt man die Weißbartpekaris auch – Bisam leitet sich vom türkischen Wort „besem“ ab, auf gut Deutsch heißt das „Geruch“. Den erzeugen die Tiere auf ihrem Hinterrücken mit einer Drüse, deren Sekret sie sich gegenseitig, sozusagen Schweinerücken an Schweinerücken, einreiben. Dies machen sie mit schweinischem Hintersinn: Erkennen sich die Weißbartpekaris doch an diesem „Gruppenduft“ in freier Natur als Mitglieder einer bestimmten Herde. In Berlin stänkern sie schon ewig damit rum – lange vor der Eröffnung des Zoologischen Gartens am 1. August 1844 hielt sich der tierliebende Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. unter anderem auch eine kleine Gruppe des wilden Borstenviehs in seinem Privatzoo auf der Pfaueninsel.

Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. hatte mit solchen Inselbewohnern weniger im Sinn – er vermachte den Zoogründern die gesamte königliche Menagerie der Pfaueninsel, die man damit sozusagen als „Keimzelle“ des Zoologischen Gartens verstehen kann.

Die heute im Zoo lebenden Weißbartpekaris sind aber keine Nachfahren aus der königlichen Menagerie. Denen machte wie den meisten Berliner Zootieren der letzte Krieg den Garaus. Vielmehr ließ Ende der 70er Jahre der spätere Zoo-Direktor Hans Frädrich seine guten Beziehungen nach Südamerika spielen, in deren Folge sechs Weißbartpekaris aus Uruguay nach Berlin kamen.

Die Schweine haben allerdings eine dunkle Vergangenheit: In ihrer Heimat hatte sie eine Indianerin von Hand aufgezogen. Gedankt bekam sie das schlecht – sie kam durch ihre bissigen Pfleglinge ums Leben. Denn die scheinbar so harmlosen Schweine, aus deren Haut es im KaDeWe sogar feinste Lederhandschuhe gibt, zählen in Wahrheit zu den gefährlichsten Tieren überhaupt. Auch zu den wehrhaftesten. Fühlen sie sich bedroht, kennen sie kein Pardon. Mit ihrem scharfen Raubtiergebiss können sie nicht nur furchterregend laut klappern, wenn sie in Rage sind – sie schlagen damit in freier Wildbahn sogar Jaguare in die Flucht, die wahrlich nicht als Angsthasen gelten.

Und da sich die Weißbartpekaris in ihrem Verbreitungsgebiet auch bei den Eingeborenen wenig beliebt machten, in deren Felder sie fressend und vernichtend einfallen, sind sie inzwischen von Ausrottung bedroht.

Der Gruppe aus Uruguay bekam der Umzug nach Berlin übrigens prächtig – alle heute außerhalb Südamerikas in Zoos „duftenden“ Weißbartpekaris stammen aus der hiesigen Zucht.

Heidemarie Mazuhn

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