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Berlin: „Da muss ein Hohlraum in meinem Kopf gewesen sein“

Prozessauftakt gegen einen arbeitslosen Koch, der im Streit mit seinem Nachbarn das Messer zückte

Am Anfang war der Hund, der Mischlingsterrier. Lena bellte oft und bekam irgendwann auch noch vier Welpen. Es gab Streit mit den Nachbarn, immer wieder, durch die dünnen Wände des Weddinger Mietshauses konnte man ja fast jedes Wort verstehen. Als die verärgerte Hausgemeinschaft schließlich Unterschriften sammelte, um sich bei der Verwaltung über Ulrich K. zu beschweren, sah der arbeitslose Koch Rot. Am 21. Mai stellte er seinen Nachbarn samt Hund vor dem Hausflur, zückte ein Messer, stach zu, traf die Brust. Der Tod des Nachbarn konnte laut Staatsanwalt „nur durch die sofortige Behandlung abgewendet werden“.

Jetzt sitzt Ulrich K. im Kriminalgericht Moabit auf der Anklagebank. Grau der Anzug, grau der Schnurrbart, grau das Gesicht. Der Staatsanwalt steht im gleißenden Sonnenlicht, Ulrich K. bleibt im Schatten, wie in seinem täglichen Leben. Weshalb er zugestochen hat? Der 59-Jährige ringt erst um Worte, gestikuliert, ruft dann dem Ankläger zu: „Da muss ein Hohlraum in meinem Kopf drin gewesen sein!“

Sicher, sagt der Angeklagte, er sei mies drauf gewesen, an jenem warmen Frühsommertag. Nachdem er beim Arbeits- und Sozialamt am Vormittag nichts erreicht hatte, stundenlang in der Stadt herumgestrichen war, in der Hand immer wieder eine neue Dose Bier. Der Brief von der Hausverwaltung ging dem 59-Jährigen nicht aus dem Kopf. „Wer war das? Wer war das?“, habe er sich immer wieder gefragt. Als Ulrich K. nach Hause kam und vom Balkon nebenan die Stimmen der Nachbarn hörte, zog er sofort wieder los, um „noch ’ne Runde zu drehen“, doch dann blieb er an der Ecke stehen und fragte sich: „Kommt er mir hinterher? Guckt er wieder? Bewegen sich die Gardinen?“

Es ist nicht ganz klar, was dann passierte. Vermutlich gab es zwischen den beiden ein Wortgefecht, ein Gerangel, dann den Stich mit dem Messer. Der Gutachter sagt, dass Ulrich K. unter einer paranoiden Psychose leidet, schleichend und stetig fortschreitend. Dass er eine jahrzehntelange Alkoholikerkarriere hinter sich hat. Vor Gericht sagt Ulrich K., dass er seinen Nachbarn nicht ernstlich verletzen wollte, den Polizisten rief der 59-Jährige nach seiner Festnahme zu: „Ich wollte ihn töten! Das könnt ihr als Geständnis nehmen!“

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