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Berlin: Dabei sein ist alles

Sie kämpfen für den Trotzkismus, gegen den Euro oder für den Tierschutz: Welche Kleinparteien in Berlin zur Bundestagswahl antreten.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Landeswahlausschuss in Berlin hat am Freitag 17 Landeslisten zur Bundestagswahl am 22. September zugelassen. Dazu zählen die im Abgeordnetenhaus oder im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Linke, Grüne, FDP und Piraten), aber auch elf kleine Parteien, die darauf hoffen, gegen alle Erwartungen so viele Wähler zu gewinnen, dass sie in den Bundestag einziehen können. Wir stellen diese Parteien an dieser Stelle vor. Nicht zugelassen wurden vom Landeswahlausschuss die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Partei der Vernunft.

Marxistisch-Leninistische Partei

Deutschlands

Etwa 2300 Mitglieder hat die vom Verfassungsschutz beobachtete, linksextremistische Partei, die Begriffe wie Stalinismus oder Maoismus als antikommunistische Kampfbegriffe ablehnt. Gegen die Profitgier des internationalen Finanzkapitals hilft nach Auffassung der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) nur, die Herrschaft der internationalen Monopole zu stürzen und den Sozialismus aufzubauen. Die MLPD, 1982 gegründet, versteht sich als „politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse in Deutschland, die den revolutionären Sturz der Diktatur des Monopolkapitals anstrebt“. Grundlegendes Ziel der Partei ist „die Errichtung der Diktatur des Proletariats für den Aufbau des Sozialismus als Übergangsstadium zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft“. Bei der Bundestagswahl 2009 kam sie in Berlin auf 0,1 Prozent der Zweitstimmen.

Ökologisch-Demokratische Partei

Ebenfalls 1982 gegründet, ist diese Partei Rechtsnachfolgerin der Grünen Aktion Zukunft (GAZ). Inhaltliche Schwerpunkte sind Demokratie, Umwelt- und Familienpolitik. Die rund 6000 Mitglieder starke Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) versteht sich als werteorientierte Organisation, deren Fundament christlich-humanistische Werte sind. Die ÖDP will für die familiäre Betreuung von Kindern, die familiäre Pflege und das Begleiten von behinderten und betagten Menschen ein sozialversicherungspflichtiges Erziehungs- und Pflegegehalt einführen und fordert einen Mindestlohn von elf Euro pro Stunde. 0,2 Prozent der Berliner Wähler entschieden sich bei der letzten Bundestagswahl für die ÖDP.

Alternative für Deutschland

Die erst im Februar dieses Jahres gegründete Euro-kritische Partei hat 15 500 Mitglieder. Ihre Kernforderung ist die „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“ und die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer Euro-Währungsverbünde. Eine Wiedereinführung der Deutschen Mark solle kein Tabu sein. Die Alternative für Deutschland (AfD) fordert im Bildungsbereich ein qualitativ hochwertiges Universitätssystem, außerdem will die AfD ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild. Eine „ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ müsse unterbunden werden. „Ernsthaft politisch Verfolgte“ sollten in Deutschland Asyl finden und auch hier arbeiten können. Für die AfD ist es die erste Bundestagswahl, die Meinungsforscher sehen sie momentan deutlich unter fünf Prozent.

Die Republikaner

Die rechtskonservative, 1983 gegründete Partei zählt 5500 Mitglieder. Seit 2007 wird sie nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Republikaner (REP) sind EU-kritisch, lehnen eine Wasserprivatisierung und das Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Paare ab. Flüchtlingen und Einwanderern soll bei Integrationsverweigerung das Aufenthaltsrecht entzogen werden. Ein Assimilationstest nach 18 Monaten sei „zwingend notwendig“, um Integration zu gewährleisten. Ergäben die Tests ein ersichtliches Desinteresse an einer Mitarbeit zur Integration, müsse ausgewiesen werden. Die Republikaner kamen bei der Bundestagswahl 2009 in Berlin auf 0,3 Prozent.

NPD

Die 1964 gegründete, rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wird vom Verfassungsschutz beobachtet.  Seit Jahrzehnten wird über ein Verbot der 6000 Mitglieder starken Partei diskutiert. Die NPD fällt durch rassistische Propaganda auf, lehnt ein Bleiberecht „für Fremde“ und „multikulturelle Gesellschaftsmodelle“ ab. Wer als Ausländer seinen Arbeitsplatz verliert, soll automatisch seine Aufenthaltsgenehmigung verlieren. Durch sogenannte „Einheimischen-Modelle“ seien deutsche Wohnungssuchende gegenüber Migranten zu bevorzugen. Die NPD will eine Volksabstimmung über den Euro-Austritt, die Wiedereinführung der Todesstrafe und eine Verstaatlichung der Großbanken. 1,6 Prozent der Zweitstimmen gingen bei der Bundestagswahl 2009 in Berlin auf das Konto der rechten Hetzer.

Freie Wähler

Die Freien Wähler sind eine alteingesessene Partei, die schon seit 1948 existiert und etwa 6000 Mitglieder zählt. Sie lehnen weitere Bankenrettungspakete ab und plädieren für eine Option zur Wiedereinführung eigener Währungen für Euro-Krisenländer wie Griechenland. Die Partei will ein vereinfachtes Steuersystem: 1600 Euro monatlich steuerfrei, auf den Rest 25 Prozent Steuersatz (gilt für alle Einkommen), eine steuerfreie Erbschaft für Kinder und Ehegatten, die Weiterentwicklung des Ehegatten- zum Familiensplitting und volle Rente nach 45 Beitragsjahren unabhängig vom Lebensalter. Die Partei lehnt Gigaliner auf den Straßen ab und will kostenloses W-Lan in den Städten.

Bürgerrechtsbewegung Solidarität

Sie ist ein Klassiker unter den kleinen Parteien: die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ (BüSo), 1992 gegründet und aus der Europäischen Arbeiter-Partei hervorgegangen, die in den siebziger Jahren an den Start ging. Die BüSo versteht sich als Teil einer internationalen Bürgerrechtsbewegung und prophezeit den baldigen Zusammenbruch des globalen Finanz- und Wirtschaftssystems, sie kämpft für einen Austritt Deutschlands aus der EU und für die Wiedereinführung der D-Mark. Der Klimaschutz wird von der rund tausend Mitglieder starken Partei als „Grünen-Kult“ abgelehnt. Bei der Bundestagswahl 2009 kam die BüSo in Berlin auf 0,3 Prozent der Zweitstimmen.

Die Partei

Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative wurde 2004 von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründet und hat angeblich 9000 Mitglieder. Für die Bundestagswahl legte sie ein Regierungsprogramm für die nächsten hundert Jahre vor. Darin wird unter anderem gefordert, 17 Prozent der Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft mit „Faulen, Drückebergern und Müßiggängern“ zu besetzen. Rund um Deutschland solle eine Mauer gebaut werden, als Absage an die Globalisierung. Die Abschaffung der Sommerzeit wird versprochen. Der viel zu teure öffentlich-rechtliche Rundfunk solle nach griechischem Vorbild abgeschaltet werden. Zur Bundestagswahl 2009 war „Die Partei“ noch nicht zugelassen worden.

Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit

Die Partei wurde erst 2010 in Köln von deutschen Muslimen gegründet. Das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) versteht sich als Zusammenschluss von „Menschen aus unterschiedlichen Kulturen“ und fordert mehr Investitionen in Bildung, eine kinder- und familienfreundliche Politik, die Förderung von Kleinunternehmen, die doppelte Staatsbürgerschaft und ein kommunales Wahlrecht für alle Bürger. Eine Migrantenpartei will BIG nach eigenem Verständnis nicht sein, doch die über tausend Mitglieder starke Organisation steht unter dem Verdacht, ein politischer Vorposten der türkischen Regierungspartei AKP in Deutschland zu sein.

Partei für Soziale Gleichheit,

Sektion der Vierten Internationale

Es gibt sie noch, die Trotzkisten. Die „Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale“ (PSG) ging 1997 aus dem Bund Sozialistischer Arbeiter hervor. Den Gewerkschaftern und Sozialdemokraten spricht die PSG das Recht ab, die Interessen der Arbeiterklasse zu verteidigen. Die Partei zählt etwa 250 Mitglieder und präsentiert für die Bundestagswahl ein Programm „gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit in Europa“, das vor gewaltigen Klassenkämpfen stehe. Konzerne und Banken müssten vergesellschaftet werden. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielt die PSG in Berlin 0,1 Prozent der Zweitstimmen.

Bürgerbewegung pro Deutschland

Diese Organisation macht seit Jahren Stimmung gegen „multikulturelle Politik“ und weitere Zuwanderung von Ausländern. Asylverfahren müssten gestrafft und rechtsgültige Abschiebungen unverzüglich umgesetzt werden. Die 2005 in Köln gegründete, rechtspopulistische Bürgerbewegung pro Deutschland mit rund 400 Mitgliedern gilt als ausländer- und islamfeindlich und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie will nach eigenem Bekunden den „abendländischen Charakter“ Deutschlands bewahren. Personelle Vernetzungen mit der rechtsextremen Szene wurden nachgewiesen. An der Bundestagswahl 2009 nahm Pro Deutschland in Berlin nicht teil.

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