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Berlin: Dalai Lama Superstar

20 000 Zuschauer feierten in der Waldbühne das religiöse und weltliche Oberhaupt der Tibeter

Zwei Pfadfinderinnen im langen Rock regeln den dichten Menschenzufluss am Eingang. „Keine Dosen, keine Flaschen. Rucksackkontrolle.“ Ein paar Fußballfans aus Recklinghausen singen „Zieht den Bayern die Lederhose aus.“ Zwei junge Frauen, schlicht gekleidet, haben ein Transparent aufgestellt, dessen Text den neutralen Beobachter endgültig in Verwirrung stürzt: „Wer die fremden Götter nicht zum Spott macht, den macht Gott zum Spott.“ Nicht sehr gut getextet, denkt der Beobachter. Aber vor allem fragt er sich: Was ist hier los?

Der Dalai Lama kommt!

Noch lange nicht. Erstmal gibt es Popcorn und Brezel und Cola, aber kein Beck’s, wie sonst in der Waldbühne. Ein blonder Typ gibt am Mobiltelefon Windows-Tipps: „Also, geh auf Start, dann auf Suchen...“ Alle ziemlich cool und smart hier, genau wie Dalai Lama Superstar, auf den alle warten.

Auf dem Großbildschirm läuft ein Promospot für „Brot für die Welt.“ Total coole Fußballkids irgendwo am Strand von Südamerika kicken für den Glauben, dass es sich lohnt, ein paar Euro lockerzumachen. Eine Band mit Panflöte und Gitarre spielt Folklore aus den Anden. Eine Frau vom Kirchentags-Präsidium bittet alle, mal zu winken für die Leute im ICC, die jetzt angeblich zugucken. Und tatsächlich winken viele und johlen „Huhu“. Die Stimmung ist wirklich klasse. Aber wo ist der Dalai Lama?

Erstmal kommt Jakob von Uexküll, der Erfinder des Alternativen Nobelpreises, auch ein ziemlich cooler Typ. Und vor allem so radikal, dass es einem die Ohren wegpustet. Von Uexküll redet von den Perversionen des Neoliberlismus und der fatalen Zukunftsoption eines Zwitterwesens aus Mensch und Maschine, konstruiert aus Blut und Silizium. Er fordert, das spirituelle Wachstum vor das ökonomische zu stellen. Frenetischer Applaus. Ein tolles Vorprogramm für den Dalai Lama. Aber er kommt nicht.

Erstmal ein „Podiumsgespräch“ mit Herrn von Uexküll, einem Experten aus der Entwicklungsarbeit und einer Frau aus Nicaragua. Das ist für die Dramaturgie des Events nicht sehr klug. Ein „Aufhören“ dringt aus der Menge. Die Fans wollen endlich ihren Star sehen.

Nach anderthalb Stunden Warten kommt Unruhe auf. Die Fotografen haben sich aufgestellt. Endlich wird er angekündigt, der „Ozean der Weisheit“, „Seine Heiligkeit, der Dalai Lama“. Noch mal fünf Anzugträger drängen aus der hinteren Bühnentür, und schließlich der Star im orangeroten Umhang. Großes Empfangsgejohle. Der Dalai Lama tritt an den Bühnenrand, grüßt seine Fans nach buddhistischer Art, hat wieder dieses ansteckende Lächeln, das man von ihm kennt. Bevor er sich setzt, winkt er den Applaus ab, und das Publikum ist sofort ruhig.

„Es ist wirklich nett hier. Ich sehe ihr Lächeln auf dem Gesicht, wenn ich auch ihre Gesichter im Einzelnen gar nicht sehen kann.“ Seine Stimme ist angeschlagen – auch diesen Umstand baut der Dalai Lama geschickt in seinen Warmup ein. Die Heiserkeit sei ein Zeichen, das er seinen Stolz, eine schöne Stimme zu haben, etwas zügeln sollte. Dann erzählt das Oberhaupt der Tibeter, was er schon oft erzählt hat: Viele Probleme und Sorgen entstünden allein durch zuviel Nachdenken. Eine Lösung ergebe sich oft schon, indem man die Perspektive wechselt. Entscheidend sei, Mitgefühl an die Stelle von Egoismus zu setzen. Zwischendurch schenkt er seinem Übersetzer Fruchtsaft nach, grüßt einzelne in der Menge und zeigt ein „Jesus loves you“-T-Shirt in die Kamera. Das hatte jemand auf die Bühne geworfen. Der Dalai Lama ist einfach cool, findet Markus von der Waldjugend aus Siegen. Deshalb wollte er ihn ja mal live erleben.

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