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Berlin: "dance and the Child international": Jugendliche Tänzer auf dem Weg zum internationalen Festival

Als das Spotlicht im Saal der "Tanz Tangente" in Steglitz angeht, läuft alles wie am Schnürchen. Die 12- bis 18-jährigen Tänzerinnen und Tänzer schweben in hautengen schwarzen Gymnastikanzügen übers Parkett.

Als das Spotlicht im Saal der "Tanz Tangente" in Steglitz angeht, läuft alles wie am Schnürchen. Die 12- bis 18-jährigen Tänzerinnen und Tänzer schweben in hautengen schwarzen Gymnastikanzügen übers Parkett. Die Bewegungen fließen harmonisch, die Solo- und Gruppentänze sind ausdrucksstark und einfallsreich. Nach dem halbstündigem Auftritt ist das Publikum aus Eltern und Geschwistern hellauf begeistert. Die erste Feuerprobe ist bestanden. Der große Auftritt folgt in ein paar Tagen. Mit ihrem selbst entworfenen modernen Tanzstück "Die Reise durch unser Jahrhundert" tritt die Gruppe die "Samsen", die sich nach ihrem Trainingstag Samstag benannte, beim Internationalen Jugendtanzfestival im kanadischen Regina auf.

Am heutigen Donnerstag heben die zehn Mädchen und ein Junge um 9.10 Uhr vom Flughafen Tegel für über eine Woche nach Übersee ab. Es ist das erste Mal, dass deutsche Jugendliche an diesem Tanz-Treffen mit 500 Teilnehmern aus 30 Nationen teilnehmen. Dieses organisiert alle drei Jahre die weltweite Organisation "dance and the Child international", kurz daCi (gesprochen wie "Daisy"). Deren Vorsitz übernimmt bald die Choreografin und Tanzlehrerin der "Samsen", Leanore Ickstadt, die das Studio "Tanz Tangente" in der Kuhligkshofstraße 4 leitet. Bislang haben an dem Festival nie Deutsche teilgenommen, weil der Kinder- und Jugendtanz hier zu Lande kaum Anerkennung findet, sagt sie. Während er in anderen Ländern im Lehrplan der Schulen steht, werde diese Kunstform in Deutschland belächelt. Woran das liegt? Frau Ickstadt kann nur vermuten: "Ich glaube, dass die Deutschen ein sehr verbales Volk sind und sich mit etwas schwer Fassbarem wie dem Tanzen schwer tun." Dabei ist der Tanz für die Kinder und Jugendlichen weit mehr als nur Bewegung, sagt sie. "Jeder entdeckt seine Kreativität und die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. Dabei wird sowohl die Gemeinsamkeit in der Gruppe als auch der Mut zur Individualität gefördert." Außerdem wirke der Tanz integrierend und baue Gewalt ab.

Dies sehen auch die Eltern der elf Jugendlichen so und unterstützen die Reise nach Kanada. Sie müssen den Großteil der Kosten von 2000 Mark bezahlen. Sponsorengelder aufzutreiben ist schwer. Für die 14-jährige Sophie haben sämtliche Verwandte zusammengelegt, sagt Mutter Susanne Schilling-Bartetzko. Familie Drust mit vier Kindern verzichtet gar auf den Urlaub, damit Sohn Raoul (14) mit nach Regina fliegen kann. "Das machen wir gerne, weil wir das wichtig finden", sagt Mutter Martina Drust. Für Raoul, den einzigen Jungen bei den "Samsen", hat das Tanzen eine ganz besondere Bedeutung. Schon mit vier Jahren hat er damit angefangen, weil er als Kind motorische Störungen hatte. "Das Tanzen war für ihn eine gute Therapie", erzählt Frau Drust. Später wollte sie es ihm sogar ausreden, damit er Sport mit anderen Jungen treibt, wie Fußball spielen. Doch für Raoul ist das Tanzen eine Leidenschaft geworden, versichert er. "Ballspiele haben mich nie interessiert." Dass er der einzige Junge ist, macht ihm nichts aus. "Ich bin das gewöhnt."

Raoul freut sich genauso wie seine Mittänzerinnen Sophie, Cassia, Lina, Hannah und Laura auf das Festival in Kanada. Die Berliner sind gespannt, Gleichgesinnte aus aller Welt zu treffen, mit ihnen zu tanzen und zu reden, sagen sie nach der Generalprobe. In ihrer "Reise durch unser Jahrhundert" lassen die Jugendlichen die deutsche Geschichte von 1911 bis 1999, Weltwirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg, Hippiezeit, Mauerfall bis Internet-Zeitalter, musikalisch und tänzerisch Revue passieren. Das internationale Publikum in Kanada dürfte daran Interesse finden.

Sabine Demm

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