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Berlin: Danke für diese Lektion!

Der Deutsche Architekturpreis 2003 geht an die Planer des Bundeskanzleramts Axel Schultes und Charlotte Frank

Am Ende hat er ihm noch einmal die Show gestohlen: Noch bevor Preisträger Axel Schultes zu seiner Dankesrede ansetzen konnte, sprang Bundeskanzler Gerhard Schröder spontan aufs Podium. Um zu bekennen, dass er an diesem Abend gelernt habe, wie er sein Haus zu nutzen habe. Die Preisreden, die Staatsministerin Christina Weiss und der Architekt Werner Durth als Vorsitzender der Jury auf das Bundeskanzleramt gehalten hatten, hätten ihm, Schröder, die Augen für die Schönheit des Gebäudes geöffnet. „Vielen Dank für diese Lektion!“ Die Genugtuung kam spät. Es ist doch allgemein bekannt, dass der Bundeskanzler mit dem von seinem Vorgänger bestellten Bau zunächst nicht in jedem Punkte glücklich war.

Dass das Bundeskanzleramt und seine Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank in diesem Jahr mit dem Deutschen Architekturpreis, der mit 25000 Euro höchst dotierten Bau-Auszeichnung, geehrt werden, war der Jury offensichtlich selbst fast unangenehm: Ein Haus auszuzeichnen, das jedermann kenne, und dazu auch noch Spekulationen über die politische Bedeutung dieser Wahl Vorschub zu leisten, sei ihnen eher peinlich, bekannte Durth in seiner Laudatio. Und auch die Ruhrgas, Stifterin des seit 32 Jahren alle zwei Jahre unter der Schirmherrschaft der Bundesarchitektenkammer ausgelobten Preises, beeilte sich, jeden Verdacht der Einflussnahme von sich zu weisen: schon die Tatsache, dass in diesem Haus noch mit Öl geheizt werde, spreche dagegen, erklärte Ruhrgas-Vorstandsvorsitzender Burckhard Bergmann in seinem Grußwort.

Wie geeignet das Bundeskanzleramt, passenderweise auch Ort der Preisverleihung, für Feierstunden war, bewies sich an diesem Abend wieder einmal aufs Schönste: Die illustre Gästeschar lagerte wie Studenten auf den Stufen der großen Treppe, die vom Foyer ins Hauptgeschoss führt – unter ihnen die ebenfalls mit Preisen oder Auszeichnungen bedachten Architekten Stephan Braunfels, HG Merz, Pekka Salminen, Stefan Behnisch, Peter Böhm und Bothe Richter Teherani . Das geschwungene Betondach öffnete sich – wie ein Baldachin, so Durth unter beifälligem Schmunzeln des Kanzlers – in den sich verdunkelnden Himmel, und durch die Heiterkeit und Leichtigkeit des Gebäudes ließen sich alle Laudatoren zu poetischen Höhenflügen hinreißen.

Peter Conradi , als Präsident der Bundesarchitektenkammer Schirmherr der Veranstaltung, erzählte schließlich noch einmal in heiterer Anekdotenlaune, wie sich das Preisgericht des Wettbewerbs für den Spreebogen über den eingereichten Entwürfen damals so heillos zerstritten hatte, dass es sich nur auf zwei erste Preise einigen konnte. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, vor die schwierige Wahl gestellt, habe den Wiener Architekten Gustav Peichl um Rat gefragt. Und der habe gesagt: „Wenn Sie den Entwurf von Schultes bauen wollen, brauchen Sie Mut.“ Darauf Kohl: „Dann bauen wir es.“

Mut bewies am Ende auch der Preisträger. In seinen Dankesworten gab der als kritischer, unbequemer Geist bekannte Schultes der versammelten Prominenz einige Worte zur Misere der Baukultur mit. Namentlich drei Berliner Stadträume, das sogenannte Humboldt-Forum am Schlossplatz, das Kulturforum sowie das von ihm zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus geplante Bürgerforum am harrten immer noch ihrer Verwirklichung. Besonders die Schlossfrage sei zum Menetekel deutscher Angst, deutschen Kleinmuts und deutscher Müdigkeit geworden. „An der Haltung zu dieser Frage werden wir alle einmal gemessen werden.“

Christina Tilmann

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