zum Hauptinhalt

Berlin: Das Achteck ist noch keine runde Sache

Der Leipziger Platz bevölkert sich langsam. Aber für das größte Grundstück steht kein Baubeginn fest

Von Christian van Lessen

So viele Hoffnungen lasten auf ihm: Der Leipziger Platz soll aus dem Schatten des benachbarten Potsdamer Platzes rücken, seine historische Form als umbautes Achteck wiederbekommen und eine feine Adresse für Geschäfte, Restaurants und Büros sein. Gut 30 Anwaltsbüros, einige Firmen und Wirtschaftsverbände sind schon am Ort, eine Cocktailbar ebenfalls und ab Mittwoch auch ein Restaurant. Aber in den vorhanden Gebäuden gibt es auch Leerstand, und mit der Umbauung klappt es noch nicht wie geplant. Denn der Entschädigungsstreit zwischen Bund und Alteigentümern des alten Wertheim-Grundstücks hat die Planungen für die größte Fläche am Platz erst einmal ruhen lassen. Ein Baubeginn im Frühjahr, wie angekündigt, ist kaum mehr möglich, zwei Ecken müssen also warten. Ein kompletter Platz in drei Jahren bleibt vorerst ein Traum.

Der Torso hat allerlei zu bieten: Vier fertige Häuser, drei im Bau, hinter Werbeplanen versteckt. Der Rasen ist gelegt, die Bäumchen sind gesetzt, und vor allem Ortsfremde wundern sich, dass die neuen U-Bahnzugänge „Potsdamer Platz“ heißen. Zu sehen sind auch viele neue Bürofenster, hinter denen sich nichts tut, Bauzäune und ein großes Stück Brachland. Reicht das aus, schon etwas Platz-Atmosphäre zu vermitteln?

„Ja“, sagt Arayik Manukyan, und das muss er sagen, denn er eröffnet in drei Tagen das Restaurant „Oktogon“. Im Sommer will er Tische und Stühle auf den Gehweg stellen, was dem Platz mehr Leben geben könnte. Schon kommen Passanten und laufen die Front der wenigen Häuser neugierig ab, obwohl es nicht viel zu entdecken gibt. Im Haus mit dem „Oktogon“ arbeiten allein 30 Anwaltsbüros, nebenan zieht eine Privatbank ein.

Ein wenig streng, wie ein Hochbeet, wirkt die Rasenfläche, die in den letzten Wochen angelegt wurde und die mit den Bäumchen eine gewisse Ordnung auf den Platz bringt. Sie verstärkt zumindest seine räumliche Wirkung und lockt die Leute an, die sich bei wärmeren Temperaturen auch schon auf dem Grün lagerten. Aber Passanten vermissen Bänke, etwas fürs Auge. „Es fehlt Wasser, was Verrücktes“, sagt Manukyan, und er hat auch festgestellt, dass die in den Rasen eingelassenen Bullaugenlämpchen bei Dunkelheit viel zu wenig Licht geben. Zwei gepflasterte Zugänge bilden Schneisen durch die Rasenflächen und verbinden, zumindest optisch, die beiden Platzseiten miteinander. Aber die Leipziger Straße bleibt eine gefährliche Barriere. Zebrastreifen fehlen.

Die lückenhafte Nordseite ist noch ein städtebauliches Sorgenkind. Die Grundsteinlegung für das Mosse-Palais, den Pionierbau am Leipziger Platz, liegt immerhin schon sieben Jahre zurück. Fast nebenan ist ein großer Gebäudekomplex geplant, der sich um acht Höfe gruppiert. Ein 400-Millionen-Euro-Projekt, das die bundeseigene TLG-Immobilien GmbH, hervorgegangen aus der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft, sowie die Bauwert und ECE entwickeln wollen. Vor kurzem war die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung optimistisch, dass es beim angekündigten Baubeginn 2003 bleibt.

Aber nun hat die TLG die Projektentwicklung ruhen lassen, bis über die Höhe einer Entschädigung für die Alteigentümer entschieden ist. Das Bundesfinanzministerium verhandelt mit der Jewish Claim Conference und Karstadt-Quelle. Dabei war schon im vergangenen Frühjahr auf der Immobilienmesse in Cannes mit der Vermarktung der Büro- und Geschäftsflächen begonnen worden. Die Gesellschaft ist nun außerstande, einen Baubeginn zu nennen, die Investoren aber seien noch alle an Bord. Alle anderen Projekte am Platz sollen im nächsten Jahr im Bau sein. Doch 2005 wird der Platz, trotz aller Hoffnungen, noch immer ein Torso sein.

Christian van Lessen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false