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Berlin: Das Arbeitstier ist sein bester Sachbearbeiter Polizeipräsident Dieter Glietsch ist 100 Tage im Amt. Er gilt als „menschlich nicht unproblematisch“. Und er krempelt die Behörde völlig um

Von Werner Schmidt „Es wird nicht viel geredet, gelacht wird gar nicht mehr“, beschreibt ein Beamter aus der Führungsetage der Polizei die Stimmung in den täglichen Morgenbesprechungen. Seit 100 Tagen ist der neue Polizeipräsident Dieter Glietsch (55) im Amt.

Von Werner Schmidt

„Es wird nicht viel geredet, gelacht wird gar nicht mehr“, beschreibt ein Beamter aus der Führungsetage der Polizei die Stimmung in den täglichen Morgenbesprechungen. Seit 100 Tagen ist der neue Polizeipräsident Dieter Glietsch (55) im Amt. Die Stimmung am Platz der Luftbrücke ist am Boden. Auch wenn Dieter Glietsch das ganz anders sieht – kaum einer aus der Führungsriege lässt an dem neuen Mann ein gutes Haar. Obwohl er fachlich akzeptiert ist und ihm auch diejenigen, die ihn nicht mögen, zugestehen, dass man ihm „gerade im Vollzugsbereich nichts vormachen kann“, gilt er als Technokrat und Einzelkämpfer ohne Teamgeist. Im Gegensatz zu dem aufbrausenden Saberschinsky sei Glietsch ruhig, aber ihn scheinen die Menschen um ihn herum nicht zu kümmern, ist der Eindruck vieler Untergebenen. Dem häufig hölzernen Saberschinsky wurde ein hohes Maß sozialer Kompetenz zugestanden, sein Nachfolger Glietsch dagegen sei „menschlich nicht unproblematisch“.

Andere wiederum kritisieren die Kritiker: Viele dächten wenig positiv über Glietsch, weil sie sich ihm nicht gewachsen fühlten und es nicht gewöhnt seien, mit einem stringenten Polizeipräsidenten zusammenzuarbeiten. Sie fürchteten um ihre Posten, die sie nicht unbedingt wegen der herausragenden Leistungen, sondern eher wegen der herausragend guten Beziehungen erhalten hätten. Glietsch wirke zwar unnahbar, gehe aber sehr offen auf die Mitarbeiter zu, halten die Befürworter seinen Gegnern entgegen. Glietsch selbst hat vom Tag seines Amtsantritts nichts von Vorbehalten ihm gegenüber bemerkt: „Und das ist so geblieben“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich bin aufgenommen worden, wie man sich das als Behördenleiter nur wünschen kann.“ Er habe immer das Gespräch mit seinen Mitarbeitern gesucht und sei von diesen freundlich und offen und bereit zur Zusammenarbeit behandelt worden. Seine Reform der Polizeibehörde sei nun nach drei Monaten deutlich weiter fortgeschritten, als er sich dies vorgestellt habe: „Die Kollegen sind mit Begeisterung bei der Sache.“ In seiner Heimat Nordrhein-Westfalen habe er an kleineren Problemen oft deutlich länger gearbeitet. In Berlin habe jeder erkannt, dass es Veränderungen geben muss.

Die Folge ist eine umfassende Neuorganisation der Polizei, wobei durch Abschaffung ganzer Bereiche rigoros Personal gespart wird. Das Konzept legte Glietsch, wie berichtet, wenige Wochen nach seinem Amtsantritt am 17. Mai vor. Es ist die Planung von einer Behörde, die pyramidenförmig aufgebaut und auf den Präsidenten zugeschnitten ist. Er thront an der Spitze der Pyramide und hat direkten Zugriff auf alle Bereiche. Er ist gleichzeitig Chef der Schutz- und der Kriminalpolizei und der sieben Direktionen. Das Landeschutzpolizeiamt wird aufgelöst, der Posten des Landesschutzpolizeidirektors wird mit der Pensionierung von Gernot Piestert im März 2003 abgeschafft. Kritiker werfen Glietsch vor, er ziehe alle Arbeit an sich: „Er geht von der falschen Annahme aus, dass er neben allen anderen Aufgaben auch noch die Direktionen leiten kann.“ Zwar sei Glietsch ein Arbeitstier, aber: „Er ist auch sein bester Sachbearbeiter“, der sogar die Antworten auf Beschwerden von Bürgern selbst lesen und unterschreiben will.

„Ja“, sagt Glietsch, „ich kümmere mich auch um Details.“ Er lege Wert darauf, dass die Behörde nach außen gut repräsentiert wird: „Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch wie.“ Aber der Eindruck, er sei bisher zu nichts gekommen, weil er sein bester Sachbearbeiter sei, der „kann eigentlich nicht entstanden sein“, ist sich Glietsch sicher. Aber es sei sicherlich gewöhnungsbedürftig gewesen, dass „ich nicht gleich alles unterschreibe, was mir vorgelegt wurde.“ In der Führungsetage drückt diese Arbeitsweise Misstrauen gegenüber seinen Mitarbeitern aus: Er habe Angst, von seinen Untergebenen ausgetrickst zu werden, wird auf den Gängen des Präsidiums kolportiert. Woher diese Angst rührt, vermag keiner zu sagen. Aber Glietsch hatte keinen glücklichen Start in Berlin. Er ist Wunschkandidat der Politik, nicht der Polizei.

Die Polizisten hatten sich Vizepräsident Gerd Neubeck gewünscht. Die Politik wollte den früheren Inspekteur der Polizei in Nordrhein-Westfalen wegen seines SPD-Parteibuchs und setzte ihn gegen alle Widerstände von Polizei, Gewerkschaften und Opposition durch. Der parteilose frühere Oberstaatsanwalt aus dem SPD-regierten Nürnberg, Gerd Neubeck, war der SPD-PDS-Koalition zu konservativ.

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