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Berlin: Das Bauherren-Modell

„Robertneun“ steht für drei erfolgreiche Newcomer unter Berlins Architekten. Das Trio arbeitet gern mit Auftraggebern statt gegen sie

Sechs, sieben, acht – bling – öffnet sich ratternd die Fahrstuhltür zum neunten Stockwerk. Zu Gast bei Aufsteigern: Der Blick geht über den Alexanderplatz und weit in den Süden der Stadt. Auf dem Platz stehen Kräne und dumpfe Geräusche tönen bis hier oben ins „Haus des Reisens“. Es wird immer noch gebaut in Berlin. Zwar nicht unbedingt durch Nachwuchsarchitekten, aber immerhin. Thomas Baecker, Nils Buschmann und Tom Friedrich, die Chefs des Architekturbüros Robertneun, können sich nicht beklagen. „Jeder Auftrag brachte bislang Folgeaufträge“, bilanziert Baecker, der mit seinen Partnern an dem einzigen nicht mit Computern und Modellen zugestellten Tisch des Büros sitzt. Inzwischen arbeiten bis zu acht Mitarbeiter an Projekten, alle, so wie die Bürogründer, um die 35 Jahre alt. Es läuft.

Vor sechs Jahren sind die drei vom „Haus des Lehrers“ in dieses unsanierte Büro gezogen. Haben ein paar Schreibtische auf den Nadelfilz gestellt, Licht reingelassen und losgelegt. Der Vater von Nils Buschmann, auch ein Architekt, reichte seinem Sohn einen Auftrag weiter. Es ging um die Gestaltung eines Edelsupermarktes im Westen Deutschlands. Robertneun erstellte eine kleine Studie. Heute sind sie die Hausarchitekten dieser Lebensmittelmarktkette. Vier Märkte haben sie bislang entwickelt. Haben die vorhandenen Hallen großzügig entkernt und sind mit ihren Umbauten auf den jeweiligen Bestand eingegangen. Zwei weitere Entwürfe für Delikatessmärkte kommen in diesem Jahr noch hinzu. Ein Modell für München steht im Büro: Die Halle fügt sich elegant und bescheiden zwischen verklinkerten, älteren Häusern ein.

Neben diesen soliden Aufgaben, allesamt außerhalb Berlins, begannen die drei Architekten, die sich vom Studium an der Technischen Universität kannten, für Freunde und Bekannte in der Hauptstadt zu arbeiten. Kleinere Sachen: hier die Einrichtung eines Modeladens, dort eine Bar. Bekannt wurde Robertneun durch die Gestaltung des Clubs Week-End, den sie ein paar Stockwerke über ihrem Büro im „Haus des Reisens“ eingerichtet haben. Die Idee und das Konzept für die neue Nachtlebenadresse entwickelten sie mit einem befreundeten Clubbetreiber. Für die Gestaltung wurde das Büro kürzlich mit dem Berliner Architekturpreis ausgezeichnet. Die Plakette steht auf dem Boden, angelehnt an eine Wand, neben dem Preis des Bundes Deutscher Architekten, den Robertneun im vergangenen Jahr für einen Frischemarkt erhalten hat. Zeit, die Auszeichnungen an die Wand zu nageln, war noch nicht.

Viel Glück gehabt also beim Einstieg in den schwierigen Berliner Markt? Na ja, nicht nur, widerspricht Thomas Baecker. Das stimmige Konzept trage das Unternehmen: dort die Aufträge für die Delikatessmärkte, mit denen sich das Büro die Existenz sichert, hier Zeit und Geld für Nischenprojekte, die Experiment und Profilierung zulassen. Der Spagat zwischen dem seriösen Geschäft und dem urbanen Spieltrieb überzeugte auch einen großen Sportartikelhersteller, der sich jüngst von Robertneun einen Showroom entwerfen ließ. Und: Freunde und Bekannte etablieren sich mit den Dingen, die sie tun, und so wachsen Projekte. Kürzlich haben die drei etwa für die Galeristin Giti Nourbakhsch Wohn- und Galerieräume gestaltet.

Da es weitergeht mit den Aufträgen, muss das Büro keine kostspieligen Wettbewerbe mitmachen. Musste es noch nie. „Wir brauchen den Bauherren als ein Gegenüber beim Entwerfen“, sagt Baecker. Anstrengend und intensiv müsse es sein, ergänzt Nils Buschmann und erzählt, dass er in anderen Büros erlebt habe, dass Auftraggeber nur als Störung empfunden wurden, „als diejenigen, die den schönen Entwurf kaputtmachen“. Das Trio aber versucht, Architektur stets atmosphärisch anzugehen, den Alltag des Auftraggebers mitzudenken, von Anfang bis Ende. Und durch die hierarchielose Zusammenarbeit zwischen den drei Architekten können Widersprüche intern bereits getilgt werden, bevor man mit dem Bauherren diskutiert. „Wir sitzen uns trotzdem stets verbindlich gegenüber, wenn auch in wechselnden Rollen“, sagt Thomas Baecker. Bei jedem neuen Auftrag werden die Zuständigkeiten neu verteilt. Diese Diskussionskultur tragen sie hinein in das Gespräch mit dem Auftraggeber. Das Trio als Einheit: Den Namen Robertneun übernahmen sie von der Figur eines Strategiespiels, das sie zusammen an der Uni entworfen hatten. Es ging darum, ein Niemandsland zu gestalten. Robertneun, einer der Akteure, stand für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das passte auch auf ihre Geschäftsidee.

Schluss mit Reden, es gilt noch, ein neues, aufregendes Projekt anzuschauen. 12, 13, 14 – bling – öffnet sich die Aufzugtür zum 15. Stock. Hier haben Friedrich, Buschmann und Baecker einen weiteren Club gestaltet. Über eine Leiter geht es auf das Dach des Hochhauses. In wenigen Wochen eröffnet hier eine spektakuläre Dachterrassenbar mit verglaster Brüstung und in den Boden eingelassener Theke. Die Architekten, in Schwarz und Grau gekleidet, klettern über die Holzplanken, die Bauarbeiter gerade verlegen. Ein Plausch, ein paar Witze. Da unten liegt die Stadt. Selbst nüchtern betrachtet: ein Raum voller Möglichkeiten.

Im Deutschen Architektur-Zentrum, DAZ, werden noch bis zum 1. Juni Arbeiten von Robertneun präsentiert (Köpenicker Straße 48/49, Mitte).

Die Serie finden Sie auch im Internet unter www.tagesspiegel.de/chancen

Daniel Völzke

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